Naechtliche Versuchung - Roman
einverleibe, wird sie alle meine Gelüste stillen.« Ganz langsam hob er die Armbrust auf und feuerte den Bolzen mitten in Kyrians Herz.
Von dem stählernen Geschoss an die Wand genagelt, keuchte Kyrian. In seinem ganzen Körper breitete sich ein brennender Schmerz aus.
Lächelnd schlenderte Desiderius zu ihm und tauchte einen Finger in das Blut, das aus der Wunde quoll. »Wie schade, das Blut der dunklen Jäger kann man nicht trinken, weil es zu giftig ist. Dabei müsste es viel stärker sein als der dünne Saft, von dem ich mich ernähren muss.«
Während Kyrians Herz ums Überleben kämpfte, nahm er die sardonischen Worte kaum wahr. In seinen Ohren dröhnte es. So verzehrende Schmerzen hatte er nie zuvor empfunden. Ein letztes Mal richtete er seinen Blick auf Amanda.
Mit traurigen Augen beobachtete sie ihn, sekundenlang glaubte er, sie würde sich an ihn erinnern. Wusste sie, dass er starb? Würde sie den Verlust bedauern? Sicher hätte sie die Flucht ergriffen, wäre sie nicht in den Bann des Daimons geraten.
Im Gegensatz zu seiner Ehefrau würde sie um ihn weinen, wenn sie von seinem Tod erfuhr. Das tröstete ihn auf seltsame Weise.
Desiderius wandte sich zu ihr und tätschelte ihre Schulter. »Komm schon, Amanda, gib deinem Liebhaber einen Abschiedskuss.«
Krampfhaft rang Kyrian nach Atem, als sie zu ihm ging. So vieles wollte er ihr sagen. Er wünschte, dies alles hätte er ihr erklärt, als sie noch fähig gewesen war, seine Stimme zu hören.
Wenigstens würde er nicht einsam sterben.
»Ich liebe dich, Amanda«, wisperte er und hoffte, sie würde sich später an seine Worte erinnern und wissen, dass er sein Geständnis ernst gemeint hatte.
Mit völlig ausdruckslosen Augen neigte sie sich vor, berührte seine Lippen mit ihren und legte eine Hand auf seine Schulter.
Allmählich sank das schwarze Licht des Todes herab. Bevor er starb, hörte er Amandas Flüstern: »Bis in alle Ewigkeit werde ich dich lieben, mein dunkler Krieger.«
Dann stürzte er in einen bodenlosen Abgrund.
Hoffnungsvoll spürte Amanda, wie die feurige Hitze aus dem Medaillon, das sie unter dem Puppenkleid umklammerte, in Kyrians leblosen Körper drang. Nichts geschah. Mit jeder Sekunde, die verstrich, zitterten ihre Finger noch heftiger.
Warum erwacht er nicht?
O Gott, nein, Acheron hatte sie belogen!
Die Augen voller Tränen, ließ sie das eiskalte Medaillon fallen.
Kyrian rührte sich noch immer nicht. Das Gesicht leichenblass, lehnte er an der Wand.
Nein!
Es war vorbei, Kyrians Herz schlug nicht mehr.
Nein!
Desiderius’ bösartiges Gelächter hallte durch den halb dunklen Raum und schnitt wie ein scharfes Messer in Amandas Seele.
In diesem Moment wollte auch sie sterben. Alles ist meine Schuld. Warum war es ihr nicht gelungen, Kyrian zu retten?
Wie ein gefangener Schrei steckte tiefe Verzweiflung in ihrer Kehle.
Ich liebe dich, Amanda. Diese Worte würden sie bis zu ihrem letzten Atemzug verfolgen.
Schluchzend schlang sie ihre Arme um Kyrians erkalteten Körper, presste ihn an sich, so fest wie nur möglich, und wünschte, sie könnte ihn wecken. Lieber Gott, nimm mir alles - aber ich flehe dich an, lass ihn leben!
»Amanda?«, rief Desiderius im Befehlston.
Aber sie ignorierte ihn. Den Kopf an Kyrians Brust gelegt, dicht neben dem stählernen Bolzen, beschwor sie seine Lebenskräfte.
Plötzlich erstarrte sie, denn sie hörte etwas - ein ganz schwaches Geräusch, das sie mit heißer Freude erfüllte.
Kyrians Herz begann zu pochen. Als sie sich aufrichtete, sah sie seine Lider flattern.
Verwirrt schaute er in Amandas tränenfeuchte blaue Augen, die nicht mehr ausdruckslos vor sich hinstarrten. Voller Liebe erwiderten sie seinen Blick. Als sie über seine Brust strich, glitt der Bolzen heraus.
Da wusste er, dass sie ihn nicht verraten, sondern befreit hatte.
»Jetzt gehört deine Seele wieder dir, Kyrian von Thrakien«, flüsterte sie. Die Stricke lösten sich von seinen Handgelenken. »Nun soll der Schurke büßen, was er dir angetan hat.«
In maßlosem Zorn erkannte Desiderius, was geschehen war. Kyrian hatte die Macht des dunklen Jägers verloren. Doch das spielte keine Rolle.
Zum ersten Mal seit über zwei Jahrtausenden besaß er seine
Seele wieder. Diese Gewissheit und Amandas Liebe erfüllten ihn mit neuer Lebenskraft.
O ja, der Daimon war so gut wie tot.
Als Desiderius zur offenen Tür rannte, fiel sie krachend ins Schloss.
»So schnell dürfen Sie uns nicht verlassen«, sagte
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