Naechtliche Versuchung - Roman
hatte er ein Unrecht erlitten, um zu so abgeklärten Ansichten zu gelangen? Diesem Gedanken folgte sofort ein anderer. »Julian hat erwähnt, du könntest deine Seele wiedergewinnen.«
»Theoretisch - ja.«
»Nur theoretisch?«
Terminator richtete sich auf und starrte Kyrian an, der seinen Kopf tätschelte. Schließlich rollte sich der Hund in Amandas Schoß zusammen.
»Um unsere Seelen zu ergattern, müssen wir eine Prüfung
bestehen. In den letzten zweitausend Jahren ist das nur wenigen dunklen Jägern gelungen. Die meisten, die es gewagt haben, fristen seither ein Schattendasein.«
Wie ihr der Klang seiner Stimme verriet, würde er nicht einmal einen Versuch wagen. Warum nicht? »Was müsstest du tun?«
»Das weiß ich nicht. Keiner von uns kann es vorhersehen, denn für jeden dunklen Jäger führt ein individueller Weg zur Erlösung. Nur eins steht fest - wenn der Augenblick der Wahrheit kommt, werde ich entweder befreit oder bis in alle Ewigkeit verdammt.«
Was Kyrian für sich behielt, war der Umstand, dass ein dunkler Jäger seine ersehnte Seele einem Menschen anvertrauen musste, der ihn liebte, um die Freiheit zu erlangen. Und nachdem ihn seine Ehefrau so schmerzlich enttäuscht hatte, würde er sein Herz nie mehr verschenken - geschweige denn seine unsterbliche Seele. Zu viele Gefährten hatte er in leidvoller Schattengestalt wiedergesehen. Weil sie den falschen Menschen vertraut hatten. Und er wusste, dass ihn keine Frau jemals lieben würde. Nicht einmal ein kleines bisschen. Sicher nicht genug, um ihn zu retten.
»Warum hast du dich zu diesem Leben entschlossen?«, fragte Amanda.
»Das habe ich dir bereits gesagt. Wegen der guten Bezahlung und meiner Unsterblichkeit. Was sollte mir daran missfallen?«
Mit dieser Erklärung überzeugte er sie nicht. So oberflächlich schätzte sie ihn nicht ein. »Bist du habgierig? Das bezweifle ich.«
»Tatsächlich?«
»Ja, weil du sehr großzügig bist. Habgierige Leute machen niemandem so großzügige Geschenke, wie du sie für Julian, seine Familie und mich ausgesucht hast.« Amanda merkte seinen zusammengepressten Lippen an, dass sie ihn in die Enge getrieben hatte. »Übrigens, wo hast du den Ring deines Freundes aufgestöbert? Er erzählte mir, er hätte ihn vor einiger Zeit verkauft.«
Kyrian schwieg eine ganze Weile, und sie dachte schon, er würde nicht antworten. Schließlich begann er zu sprechen. »Vor etwa einem Jahr beschützte ich den Mann, der ihn trug, vor der Attacke eines Daimons. Ich wollte ihm den Ring abkaufen. Aber er schenkte ihn mir zum Dank für seine Rettung.«
Könnte sie doch in sein Gehirn schauen, so wie er in ihres … »Warum war dir der Ring so wichtig?«
Über sein Gesicht schien ein Schleier zu fallen. Offensichtlich beunruhigte ihn dieses Thema.
»Nun?«, drängte sie.
»Was soll ich sagen?«, erwiderte er in scharfem Ton. »Dass ich beim Anblick des Rings von einer momentanen Schwäche erfasst wurde? Von Heimweh? Ja, so war es. Jetzt weißt du’s - der seelenlose dunkle Jäger besitzt ein Herz.«
»Oh, das wusste ich schon vorher.«
Als er wieder vor einer roten Ampel hielt, starrte er Amanda mit gefurchter Stirn an. Brach er sein Wort? Versuchte er erneut, ihre Gedanken zu erforschen?
»Ob du’s glaubst oder nicht«, fügte sie hinzu, »dein Herz zeigt sich in allem, was du tust.«
Skeptisch schüttelte er den Kopf. Dann beobachtete er wieder die Ampel. »Du weißt nichts über mich.«
Einerseits stimmte das. Doch andererseits … Dieser Mann, der gar kein Mann war, faszinierte sie, zog sie unwiderstehlich in seinen Bann und betörte sie.
Seit sie zu denken vermochte, wünschte sie sich ein normales Leben, ein gemütliches Heim mit einem liebevollen Ehemann und Kindern. Ein ruhiges Leben. Das konnte Kyrian ihr nicht bieten.
Und doch … Wenn sie ihn anschaute oder an ihn dachte, geschah etwas Seltsames mit ihr. Sie empfand nicht nur Sinnenlust, sondern viel mehr - etwas, das sie beglückte und eine tiefe Zärtlichkeit in ihr erregte.
Spürte er das auch? Wenn ja, verbarg er es erfolgreich hinter einer kühlen Maske.
»Darf ich dich etwas anderes fragen?«, bat sie.
Irritiert seufzte er. »Was denn, zum Teufel? Du hast schon genug Fragen gestellt.«
Amanda ignorierte seinen Ärger. »Warum bist du ein dunkler Jäger geworden?«
»Weil ich mich um jeden Preis rächen wollte.«
»An Theone?«
Diesmal war der Schmerz in seiner Miene unverkennbar. Seine Nasenflügel bebten, seine Finger krampften sich
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