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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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zur Seite drehte, sah sie Michael. Er hing in einem Stuhl neben ihrem Bett, das Kinn war ihm auf die Brust gesunken, und mit einer Hand hielt er die ihre fest. Eine leichte Bewegung der Finger genügte, um ihn hochschrecken zu lassen.
    »Hey.« Lächelnd zog er ihre Finger an seine Lippen. Vor lauter Erschöpfung klang seine Stimme rauh. »Guten Morgen.«
    »Wie...« Sie schloss das Auge wieder, verärgert, dass sie nur ein fast unhörbares Flüstern herausbrachte. »Wie lange?«
    »Du hast die ganze Nacht geschlafen. Schmerzen?«
    Sie hatte Schmerzen. Trotzdem schüttelte sie den Kopf. Die Schmerzen waren der Beweis, dass sie am Leben war. »Es ist wirklich passiert, nicht wahr? Alles ist wirklich passiert.«
    »Es ist vorbei.« Michael legte ihre Hand an seine Wange, beinahe genauso trostbedürftig wie sie. »Ich sage der Schwester Bescheid. Sie will wissen, wenn du aufwachst.«
    »Habe ich ihn getötet, Michael?«
    Er schwieg einen Augenblick. Ihr Gesicht war zerschlagen und bandagiert. Er hatte zwar schon Schlimmeres gesehen, aber nicht oft. Und dennoch lag ihre Hand ganz ruhig in der seinen. »Ja. Ich werde es für den Rest meines Lebens bedauern, dass du mir zuvorgekommen bist.«
    Emma hielt seine Hand ganz fest. Tief in ihr, unter all den Schmerzen und der Erschöpfung, mussten doch noch andere Gefühle verborgen sein. »Ich fühle mich vollkommen leer und ausgebrannt. Ich empfinde keine Trauer, keine Erleichterung, keine Reue. So, als wäre ich innerlich ausgehöhlt.«
    Michael wusste, wie es war, eine Waffe in der Hand zu halten, zu zielen und abzudrücken. Auf ein menschliches Wesen zu schießen. Im Dienst. In Notwehr. Und doch - egal wie einleuchtend die Gründe sein mochten, die Tat verfolgte einen.
    »Du hast das einzige getan, was dir übriggeblieben ist. Daran musst du denken. Mach dir jetzt keine Sorgen darüber.«
    »Er hatte so eine wunderschöne Stimme. Ich glaube, ich habe mich zuerst in seine Stimme verliebt. Warum musste das alles so enden?«
    Darauf wusste er auch keine Antwort.
    Michael überließ Emma der Obhut der Schwester und ging in die Cafeteria, wo Marianne an Johnnos Schulter döste.
    »Sie ist wach.«
    »Wach?« Marianne schoss hoch. »Wie geht es ihr?«
    »Den Umständen entsprechend.« Michael holte sich einen Kaffee und rührte abwesend Milchpulver hinein. »Sie erinnert sich an alles, was vorgefallen ist, und sie fängt bereits an, es zu verarbeiten. Die Schwester ist bei ihr, und der Arzt muss jeden Moment kommen. Ihr dürft bestimmt bald zu ihr.«
    Als Emmas Bild über den Fernsehschirm flimmerte, brach die Unterhaltung abrupt ab. Der Bericht war kurz und knapp gehalten und nur hier und da mit Schnappschüssen von Emma und Drew illustriert. Danach kam ein Interview mit der Rezeptionistin des Hotels und zwei Zeugen, die den Lärm gehört und die Polizei benachrichtigt hatten.
    Ein Mann mittleren Alters, dessen Haar sich bereits lichtete, gab mit vor Aufregung geröteten Wangen seine Schilderung ab. Michael erinnerte sich, ihn beiseite geschoben zu haben, ehe er die Tür aufbrach.
    »Ich habe nur lautes Krachen und Scheppern gehört. Die Frau hat geschrien und ihn angefleht, endlich aufzuhören. Das Ganze hat sich ziemlich böse angehört, also hab' ich selbst an die Tür gehämmert. Dann kamen die Cops. Einer hat die Tür aufgebrochen. Eine Sekunde lang konnte ich die Frau sehen, sie lag blutend auf dem Teppich. Eine Waffe hatte sie in der Hand, und sie hat geschossen, bis sie keine Munition mehr hatte.«
    Buchend griff Michael zum Telefon.
    Auf dem Bildschirm erschien die Krankenhausfront, und ein Reporter gab mit ernstem Gesicht bekannt, dass Emma McAvoys Zustand noch immer kritisch sei.
    »Jetzt hören Sie mir mal gut zu«, fauchte Michael in den Hörer. »Wie Sie das machen, ist mir egal, aber halten Sie mir diese Bluthunde vom Leib! Ich möchte vierundzwanzig Stunden am Tag einen Posten vor ihrer Tür haben, der die Reportermeute draußen hält. Keiner darf zu ihr, ist das klar? Ich werde heute nachmittag selber eine Erklärung abgeben.«
    »Du kannst sie nicht aufhalten«, meinte Johnno, als Michael den Hörer auf die Gabel knallte.
    »Wenigstens eine gewisse Zeit.«
    Johnno erhob sich. Er hielt es für sinnlos, Michael darauf hinzuweisen, dass Emma den Preis des Ruhmes nur zu gut kannte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie ihn bezahlen müssen. »Marianne, geh du zu Emma. Ich spendiere unserem Bullen ein Frühstück.«
    »Ich möchte kein...«
    »Klar möchtest du.« Johnno

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