Naechtliches Schweigen
schön.«
»Ja, dann...« Hilflos blieb P. M. einen Moment in der Tür stehen, dann ließ er sie mit Michael alleine.
»Er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut«, murmelte Emma. »Wie die anderen auch.« Ihre Finger zerrten unruhig an der Bettdecke, dann zupften sie an Charlies Fell. »Ich sehe es in ihren Augen, wenn sie hereinkommen. Vermutlich sehe ich ziemlich schrecklich aus.«
»Das ist das erste mal, seitdem ich dich kenne, dass du auf ein Kompliment aus bist.« Michael setzte sich neben sie. »Den ganzen Tag lang sind die Leute hier ein- und ausgegangen. Du bist gar nicht zur Ruhe gekommen.«
»Ich fühle mich auch wohler, wenn ich nicht alleine bin. Du bist ja auch die ganze Nacht bei mir geblieben.« Emma streckte ihm die Hand hin. »Ich habe gehört, wie du mit mir geredet hast, und da wusste ich, dass ich noch am Leben bin. Dafür wollte ich mich bedanken.«
»Ich liebe dich, Emma.« Michael ließ seine Stirn auf ihre Hände sinken; eine Geste, auf die sie nicht reagierte, während er Mühe hatte, seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen. »Falsche Zeit, falscher Ort.« Seufzend erhob er sich und ging im Zimmer auf und ab. »Da ich es nun einmal ausgesprochen habe, wirst du hoffentlich auch darüber nachdenken. Und wenn du jetzt dazu in der Lage bist, hätten wir gerne deine Aussage.«
Sie sah zu, wie er im Zimmer hin und her lief. Es gab nichts, was sie ihm sagen konnte, nicht jetzt, wo sie innerlich erkaltet war. Wenn alles anders gekommen wäre... Sie fragte sich, ob wirklich alles anders gekommen wäre, wenn sie seine Hilfe angenommen, ihm vertraut hätte. Aber nun ließ sich nichts mehr ändern.
»Wer nimmt meine Aussage zu Protokoll?«
»Ich.« Als Michael sich zu ihr umdrehte, hatte er sich wieder völlig in der Gewalt. »Ich kann aber auch eine Polizeibeamtin holen, wenn dir das lieber ist.«
»Nein.« Die nervösen Finger begannen, an den Veilchen zu rupfen. »Nein, mach du das bitte.«
»Der Stenograph wartet draußen.«
»Gut, laß uns anfangen. Ich möchte es hinter mich bringen.«
Der Bericht fiel ihr schwerer als erwartet, denn obwohl sie angenommen hatte, alle ihre Gefühle seien erstorben, waren anscheinend noch genug übrig, um wieder Scham aufkommen zu lassen. Emma konnte Michael nicht ins Gesicht sehen. Im Verlauf der Befragung erzählte sie ihm jede Einzelheit, hoffte, dass die Angst, die Scham und die Demütigung vergehen würden, wenn sie sich einmal jedes Detail von der Seele reden konnte. Doch als sie ihren Bericht beendet hatte, fühlte sie sich weder befreit noch erleichtert, sondern einfach nur ausgelaugt.
Mit einem Kopfnicken entließ Michael den Stenographen. Er wagte kaum zu sprechen.
»Ist das alles?« wollte Emma wissen.
Wieder nickte er. Er musste hier raus. »Wir lassen das jetzt tippen, und wenn du meinst, dass du dazu in der Lage bist, kannst du es durchlesen und unterschreiben. Ich komme später noch mal wieder.«
Er verließ das Zimmer und ging zum Fahrstuhl. McCarthy hielt ihn auf. »Dwier will, dass du endlich die Presseerklärung abgibst. Den Journalisten steht schon der Schaum vor dem Mund.«
»Scheiß auf die Presse. Ich muss an die Luft.«
In London las Robert Blackpool den Zeitungsbericht. Er bereitete ihm ein ungeheures Vergnügen. All dieser Mord- aus-Leidenschaft und Ende-eines-Traumes-Unsinn! Sie hatten es sogar geschafft, ein paar Fotos zu schießen, verschwommen und unscharf zwar, doch immens befriedigend. Emma auf der Tragbahre. Ihr Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen, und das freute Blackpool ungemein. Er hatte ihr die Zurückweisung niemals verziehen. Zu schade, dass Latimer sie nicht zu Tode geprügelt hatte. Aber es gab auch noch andere Möglichkeiten der Rache. Er griff zum Telefon und verlangte die Londoner Times.
Pete erblasste, als er den Artikel am nächsten Morgen las. Robert Blackpool, der sein tiefes Bedauern über den Tod eines hoffnungsvollen jungen Künstlers wie "Latimer ausdrückte, verwies auf einen Zwischenfall, der sich vor einigen Jahren zwischen ihm und Emma McAvoy abgespielt hatte. Seiner Ansicht nach war sie wegen seiner Beziehung zu ihrer Mitbewohnerin furchtbar eifersüchtig geworden und hatte ihn, als er auf ihre Annäherungsversuche nicht einging, mit einer Schere bedroht. Die Schlagzeile lautete:
LIEBESHUNGRIGE EMMA GREIFT ZUR GEWALT
Nicht lange, und der Artikel war in aller Munde. Vermutungen über die Hintergründe von Emmas Handlungsweise wurden angestellt. Hatte sie ihren Mann in
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