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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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schnitt Michael das Wort ab. »Du hast nicht jeden Tag Gelegenheit, mit einer Legende zusammen Rühreier zu verdrücken. Nun geh schon, Marianne. Sag Emma, ich komme gleich nach.« Er wartete, bis Marianne sich in Bewegung gesetzt hatte. »Als ich Emma das erste Mal sah, war sie drei Jahre alt. Sie hatte sich unter der Küchenspüle in Janes schmieriger Wohnung verkrochen.
    Damals hatte sie schon einiges mitgemacht, aber sie ist darüber hinweggekommen. Sie wird auch jetzt darüber hinwegkommen.«
    »Ich hätte einen Haftbefehl beantragen müssen«, sagte Michael leise. »Ich hätte darauf bestehen müssen.«
    »Wie lange liebst du Emma schon?«
    Michael gab keine Antwort, sondern seufzte nur tief. »Fast mein ganzes Leben lang.« Er ging zum Fenster, riss es auf, stützte sich auf das Fensterbrett und ließ den warmen Wind um sein Gesicht wehen. »Fünf Minuten. Wenn ich fünf Minuten eher dagewesen wäre, dann hätte ich ihn erledigt. Ich hatte ja meine Dienstwaffe schon in der Hand. Ich hätte ihn für sie töten müssen, so wäre es richtig gewesen.«
    »Aha, das männliche Ego meldet sich zu Wort.« Johnno lächelte sarkastisch. »Ich kann deine Gefühle nachempfinden, trotzdem denke ich in diesem Punkt anders. Ich bin froh, dass Emma diesen Hurensohn eigenhändig weggeputzt hat, darin liegt eine gewisse ausgleichende Gerechtigkeit. Ich wünschte nur, sie hätte die Chance dazu bekommen, ehe er ihr das antun konnte. Jetzt komm, mein Junge.« Freundschaftlich klopfte er Michael auf die Schulter. »Zeit, dass du was in den Magen kriegst.«
    Michael war zu müde, um mit ihm zu streiten. Sie waren schon fast am Fahrstuhl, als die Türen aufglitten und Brian und Bev herausstürmten.
    »Wo ist sie?« erkundigte sich Brian.
    »Gleich den Gang runter. Marianne ist bei ihr. Bleib hier.« Johnno nahm Brian am Arm. «Beruhige dich erst mal, ehe du da reinplatzt. Emma hat für lange Zeit genug Aufregung gehabt.«
    »Johnno hat recht, Bri.« Trotz ihrer eigenen nervlichen Anspannung bemühte sich Bev, Brian zu beschwichtigen. »Wir wollen die Sache nicht noch schlimmer machen. Aber wir müssen wissen, was - wie es dazu kam. Können Sie mir das sagen?« fragte sie Michael. »Nach Ihrem Anruf haben wir uns sofort auf den Weg gemacht.«
    »Gestern hat Drew Latimer Emma hier ausfindig gemacht, in ihrem Hotel.«
    »Ausfindig gemacht?« unterbrach Brian. »Was soll das heißen? Waren sie denn nicht zusammen?«
    »Seit sie die Scheidung eingereicht hat, hält sich Emma vor ihm versteckt.«
    »Scheidung?« Brian versuchte, seine durch Schlafmangel und Sorge verwirrten Gedanken zu ordnen. »Ich habe noch vor einigen Wochen mit Emma telefoniert, und sie hat mit keinem Wort eine Scheidung erwähnt.«
    »Das konnte sie auch nicht«, informierte ihn Michael. »Weil sie Angst hatte. Latimer hat sie fast während ihrer ganzen Ehe schwer misshandelt.«
    »Das kann doch nicht wahr sein.« Brian fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Er vergötterte sie geradezu, ich habe es selbst gesehen.«
    »Klar.« Michael konnte nicht anders, er musste seiner angestauten Wut freien Lauf lassen. »Ein liebender Gatte, wie er im Buche steht! Ein gottverdammter Schläger, das ist er! Darum hatte sie solche Angst. Und darum liegt sie jetzt mit zerschlagenem Gesicht und gebrochenen Rippen hier drin. Weil seine Liebesbezeugungen sie fast umgebracht haben!«
    Brians Lippen zitterten. Seine Hand schloss sich so fest um die seiner Frau, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Er hat sie geschlagen? Wollen Sie damit sagen, dass er für Emmas Zustand verantwortlich ist?«
    »Genau.«
    Kochend vor Zorn packte Brian Michael am Hemd. »Wo ist er?«
    »Tot.«
    »Nimm dich zusammen, Bri.« Johnno drückte Brians Schulter, da er es für unklug hielt, sich zwischen die beiden aufgebrachten Männer zu stellen. »Du hilfst Emma nicht, wenn du in die Luft gehst.«
    »Ich will sie sehen.« Brian zog Bev an sich. »Und zwar sofort.« In diesem Moment kam Marianne aus dem Zimmer und ließ die Tür offen. Sprachlos starrte Brian auf seine im Bett liegende Tochter.
    »Baby.« Haltsuchend legte er einen Arm um Bev, als er auf sie zuging.
    Emma blickte sie an. Mit einer Hand tastete sie nach ihrer Wange, dann bedeckte sie ihr zerstörtes Gesicht mit beiden Händen. Ihre Eltern sollten sie nicht so sehen. Doch Brian zog ihr liebevoll die Hände weg.
    »Emma.« Sanft küsste er sie auf die Schläfe. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid.«
    Da verlor Emma die Beherrschung.

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