Naechtliches Schweigen
Notwehr oder aus Eifersucht erschossen? Pete wählte eine Nummer.
»Du bist ein gemeingefährlicher Irrer!«
»Ich wünsche dir gleichfalls einen guten Morgen«, kicherte Blackpool. Er hatte mit dem Anruf gerechnet.
»Was fällt dir eigentlich ein, so eine Scheiße zu verbreiten? Ich hab' schon genug Ärger - mit der Presse.«
»Ist das mein Problem? Wenn du mich fragst, hat die kleine Emma nur gekriegt, was sie verdient.«
»Ich frage dich aber nicht. Du wirst das zurücknehmen!«
»Warum sollte ich? Ich kann die Publicity brauchen. Du bist doch der erste, der behauptet, Klappern gehört zum Handwerk.«
»Du nimmst das zurück!«
»Oder?«
»Ich pflege keine leeren Drohungen auszustoßen, Robert. Glaub mir, es kann sehr ungesund sein, die Leichen im Keller anderer Leute auszugraben.«
Es gab eine lange Pause. Dann: »Das war ich ihr schuldig.«
»Mag sein. Das geht mich nichts an. In den letzten Jahren haben deine Platten nicht gerade die Hitparaden gestürmt, nicht wahr? Und die Plattenfirmen sind sehr wählerisch geworden. Du willst dir doch zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Manager suchen, oder?«
»Laß gut sein, Pete, ich glaube, keiner von uns beiden möchte eine langjährige Freundschaft aufkündigen.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Wärm weiter solche Geschichten auf, und ich lasse dich fallen wie eine heiße Kartoffel.«
»Du brauchst mich doch ebenso sehr wie ich dich!«
»Das möchte ich bezweifeln.« Pete lächelte in den Hörer. »Das möchte ich doch sehr bezweifeln.«
33
Michael lief unruhig im Hur auf und ab, hielt kurz inne, um seine Zigarette auszutreten und nahm dann seine Wanderung wieder auf. »Die Sache gefällt mir nicht.«
»Es tut mir leid, dass du so darüber denkst.« Emma atmete vorsichtig durch. Auch nach drei Wochen schmerzten ihre Rippen noch bei jeder unvorsichtigen Bewegung. »Aber ich halte es für richtig, und ich bin fest dazu entschlossen.«
»Am selben Tag, an dem du aus dem Krankenhaus entlassen wirst, eine Pressekonferenz abzuhalten, das ist in meinen Augen einfach nur unvernünftig.«
»Es ist besser, eine offizielle Stellungnahme abzugeben, als um den heißen Brei herumzureden«, sagte Emma leichthin, doch unter der Leinenjacke fühlte sich ihre Haut eiskalt an. »Glaub mir, ich verstehe mehr von solchen Dingen als du.«
»Spielst du auf den Unsinn an, den Blackpool verbreitet hat? Das ist längst Schnee von gestern. Er hat sich selbst am meisten damit geschadet.«
»Blackpool interessiert mich nicht. Ich denke an meine Familie und daran, was sie in den letzten Wochen durchgemacht hat. Ich will diese Erklärung abgeben.« Sie ging entschlossen in den Konferenzsaal, blieb dann plötzlich stehen und drehte sich um. »Die polizeilichen Ermittlungen haben ergeben, dass ich in Notwehr gehandelt habe. In den vergangenen drei Wochen ist es mir fast gelungen, selbst daran zu glauben. Ich möchte meine Weste sauber halten, Michael.«
Jegliche Argumentation war sinnlos. Mittlerweile kannte er sie gut genug, um sie zu verstehen. Trotzdem gab er nicht auf. »Die Presse steht zu neunundneunzig Prozent hinter dir.«
»Und das eine Prozent hinterlässt einen dunklen Fleck auf einer ansonsten weißen Weste.«
Etwas milder gestimmt, streichelte er mit dem Daumen über ihre Wange. »Hast du dich mal gefragt, warum das Leben einem oft so merkwürdige Streiche spielt?«
»Ja.« Sie lächelte. »Ich fange an zu glauben, dass Gott ein Mann sein muss. Kommst du mit rein?«
»Na sicher.«
Die Pressevertreter warteten bereits mit schussbereiten Kameras und gezückten Mikrofonen. In dem Moment, wo Emma das Podium betrat, brach ein von schockiertem Geflüster begleitetes Blitzlichtgewitter los. Emma war noch sehr blass, so dass die halb verheilten Prellungen und Quetschungen einen lebhaften Kontrast zu der bleichen Haut bildeten. Das linke Auge war zwar nicht mehr zugeschwollen, schillerte aber immer noch in allen Regenbogenfarben.
Als sie zu sprechen begann, verstummte das Gemurmel.
Emma hatte inzwischen gelernt, sich auf die Tatsachen zu beschränken und keinerlei emotionale Regung zu zeigen. Was sie wirklich dachte und fühlte, behielt sie für sich. Nach acht Minuten war alles vorüber. Sie hatte nur eine kurze Erklärung vorbereitet, und während sie diese verlas, war sie Pete erneut dafür dankbar, dass er sie überarbeitet hatte. Ohne auf die Kameras und die aufmerksamen Blicke der Anwesenden zu achten, spulte sie ihren Text ab und trat vom Mikrofon zurück.
Weitere Kostenlose Bücher