Naechtliches Schweigen
ihr eine Brosche in Form eines aus einer rubinroten Flamme aufsteigenden goldenen Phoenix. Sie trug die Brosche oft, wobei sie jedesmal wünschte, selbst den Mut zu haben, ihre Schwingen wieder auszubreiten.
P. M. und Lady Annabelle heirateten. Auf dem Weg in die Flitterwochen, die sie in der Karibik verbringen wollten, machten sie einen kurzen Abstecher nach L. A. Die offensichtliche Liebe, die die frischgebackene Mrs. Ferguson ihrem Mann entgegenbrachte, gab Emma beinahe wieder das Vertrauen in die Ehe zurück. Obwohl sich ihre Schwangerschaft nicht mehr verbergen ließ, hatte Annabelle zur Hochzeit einen weißen Ledermini getragen. P. M. schien von ihr begeistert zu sein.
Auch jetzt hatten sie Gesellschaft. Letzte Nacht waren Stevie und Katherine Hayes eingetroffen. Noch lange, nachdem sie zu Bett gegangen war, hatte Emma ihren Vater mit Stevie musizieren hören und wehmütig an die Tage ihrer Kindheit gedacht, als ihr Vater sie gleich Cinderella auf einen nie endenden Ball entführt hatte.
»Guten Morgen.«
Katherine stand hinter ihr, mit zwei Kaffeebechern in der Hand. »Hallo.«
»Ich sah dich hier sitzen und dachte, du hättest vielleicht gern einen Kaffee.«
»Danke. Ist es nicht ein wundervoller Morgen?«
»Mmmm Viel zu schade, um ihn zu verschlafen.« Katherine ließ sich in den Stuhl neben Emma sinken. »Sind wir die einzigen, die schon auf sind?«
»Ja.« Emma nippte an ihrem Kaffee.
»Auf Reisen kann ich immer schlecht schlafen. Ich vermute, du findest hier Fotomotive in Hülle und Fülle.«
Emma hatte seit über einem Jahr keine Kamera mehr angerührt und war überzeugt, dass Katherine sich dessen bewusst war. »Ein schönes Fleckchen Erde ist das hier.«
»Ein gewaltiger Unterschied zu New York, nicht wahr?»
»Ja.«
»Wäre es dir lieber, wenn ich dich allein ließe?«
»Nein, entschuldige bitte.« Emma tappte ungeduldig mit den Fingern gegen ihren Becher, »Ich wollte nicht grob sein.«
»Aber du fühlst dich in meiner Gegenwart unbehaglich.«
»Das liegt an deinem Beruf.«
Katherine streckte die Beine aus. »Ich bin als Freund hier, nicht als Arzt.« Sie wartete einen Moment und beobachtete eine Möwe, die auf den Wellen schaukelte. »Aber ich wäre weder ein guter Freund noch ein guter Arzt, wenn ich nicht versuchen würde, dir zu helfen.«
»Mir geht es gut.«
»Du siehst gut aus. Aber wie steht es mit den unsichtbaren Wunden?«
Emma zwang sich, ihr ruhig und beherrscht ins Gesicht zu blicken. »Wie heißt es doch so schön? Die Zeit heilt alle Wunden.«
»Wenn dem so wäre, dann hätte ich keinen Patienten mehr. Deine Eltern machen sich Sorgen, Emma.«
»Das ist absolut nicht nötig. Ich will es nicht!«
»Sie lieben dich.«
»Drew ist tot«, rief Emma. »Er kann mir nichts mehr tun.«
»Er kann dich nicht mehr schlagen«, stimmte Katherine zu. »Aber er kann dich immer noch verletzen.« Schweigend nippte sie eine Weile an ihrem Kaffee und schaute auf die Wellen. Dann meinte sie: »Du bist nur zu höflich, um mir zu sagen, ich soll mich zum Teufel scheren.«
»Ich denke darüber nach.«
Lachend drehte Katherine sich um. »Irgendwann erzähle ich dir mal, mit welch ausgesuchten Schimpfworten Stevie mich belegt hat. Du würdest dich wundern.«
»Liebst du ihn?«
»Ja.«
»Willst du ihn heiraten?«
Die Frage brachte Katherine aus dem Konzept. Sie zuckte die Achseln. »Frag mich das in sechs Monaten noch mal. Bev erzählte mir, dass du dich mit einem gewissen Michael triffst.«
»Er ist ein Freund.«
Ich liebe dich, Emma.
»Nur ein Freund«, wiederholte sie, als sie den Kaffeebecher beiseite schob.
»Er ist Detective, nicht wahr? Der Sohn des Mannes, der den Mord an deinem Bruder untersucht hat.« Emmas ablehnendes Schweigen ignorierend, fuhr sie fort: »Ist es nicht seltsam, wie das Leben manchmal in Kreisen verläuft? Es erinnert mich an den Hund, der seinem eigenen Schwanz hinterherjagt. Als ich Stevie traf, hatte ich gerade eine sehr unerfreuliche Scheidung hinter mir. Ich war am Boden zerstört, meine Meinung von den Männern war unter den Nullpunkt gesunken und bewegte sich im negativen Bereich. Stevie habe ich vom ersten Augenblick an verabscheut, persönlich, meine ich. In beruflicher Hinsicht fühlte ich mich verpflichtet, ihm zu helfen - und ihn möglichst schnell wieder loszuwerden. Und wie sieht es jetzt aus?«
Obwohl sie eigentlich nicht mehr mochte, trank Emma noch einen Schluck Kaffee. »Hast du dich damals als Versager gefühlt?«
»Wegen meiner
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