Naechtliches Schweigen
Reflexbewegung.«
Er gab keine Antwort, sondern durchsuchte einen weiteren Schrank. Was für ein Morgen! Er hatte einen fauligen Geschmack im Mund, hinter seiner Stirn schien eine ganze Jazzkapelle zu hämmern, und anscheinend waren seine Augen auf Golfballgröße angeschwollen. Zu allem Überfluss waren ihm auch noch die Getreideflocken ausgegangen.
»Michael...« Emma näherte sich ihm vorsichtig, nicht weil er sie einschüchterte, sondern weil sie fürchtete, jeden Augenblick schallend loszulachen. »Wie wäre es, wenn ich dir dein Frühstück mache?«
»Womit denn?«
»Setz dich.« Energisch drückte Emma ihn auf einen Stuhl. »Fangen wir mit dem Kaffee an. Wo sind deine Tassen?«
»In der Küche.«
»Okay, okay.« Eine kurze Suche förderte eine Packung übergroßer Styroporbecher zutage. Der Kaffee erinnerte sie an zähen Schlamm und sah ungefähr genauso appetitlich aus. Trotzdem stürzte Michael das Gebräu in einem Zug hinunter. Als das Koffein ihn soweit wiederbelebt hatte, dass er seine Umgebung wahrnehmen konnte, sah er, wie Emma ihren Kopf in den Kühlschrank steckte.
Sie sah absolut wundervoll aus in ihrer dünnen Bluse und den hellblauen leichten Sommerhosen. Ihr Haar floss ihr offen über den Rücken, so, wie er es am liebsten hatte. Aber was suchte sie in seinem Kühlschrank?
»Was machst du denn da?«
»Dein Frühstück. Ein Ei ist noch da. Wie hättest du es denn gerne?«
»Gekocht.« Er schenkte sich den Becher erneut randvoll.
»Die Würstchen sind schon zartgrün, und irgendwas hier drin scheint zum Leben zu erwachen.« Sie nahm das Ei, ein Stück Käse und einen Rest Brot aus dem Kühlschrank. »Ich habe noch nie gesehen, dass sich der Inhalt eines Kühlschrankes aus eigener Kraft fortbewegt. Hast du eine Bratpfanne?«
»Ich glaube schon. Warum?«
»Schon gut.« Emma hatte sie bereits entdeckt und ging daran, ihm ein improvisiertes Sandwich zuzubereiten. Dann nahm sie sich eine Flasche Ginger Ale und setzte sich ihm gegenüber. »Michael, ich möchte ja nicht aufdringlich erscheinen, aber wie lange haust du schon so?«
»Ich hab' das Haus vor vier Jahren gekauft.«
»Und du lebst immer noch! Du musst ausgesprochen zäh sein, Michael.«
»Ich denke daran, hier gründlich sauberzumachen.«
»Ich schlage vor, du mietest einen Bulldozer.«
»Jetzt muss ich mich beim Essen auch noch beleidigen lassen.« Michael sah zu, wie sie ein Foto von dem schlafenden Conroy, der die Pfoten vorsichtshalber über der Chiptüte gekreuzt hatte, schoss.
Sie lächelte ihn an. »Geht's dir besser?«
»Langsam komme ich mir wieder vor wie ein Mensch.«
»Ich bin ein bißchen rumgelaufen - Zeit, dass ich wieder anfange zu arbeiten. Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, für ein paar Stunden mitzukommen.« Auf einmal fühlte sie sich in seiner Gegenwart befangen. Jetzt, wo er wieder hellwach war und sie über die Reste seines Frühstücks hinweg beobachtete, schien sich die Situation verändert zu haben. »Ich weiß, dass du in der letzten Zeit viel zu tun hattest.«
»Allein gegen die Mafia. Conroy, du Faulpelz, hol mir meine Zigaretten.« Der Hund öffnete unwillig grunzend ein Auge. »Na los!« Mit einem fast menschlich klingenden Seufzer raffte Conroy sich hoch und trottete hinaus. »Du bist mir aus dem Weg gegangen, Emma.«
Erst wollte sie diese Tatsache schlichtweg leugnen. »Stimmt. Tut mir leid. Du warst ein wirklich guter Freund, und ich...«
»Wenn du jetzt wieder mit dieser Scheiße von wegen alte Freunde und so anfängst, dann werde ich ernsthaft sauer.« Michael nahm die Zigarettenpackung, die Conroy in seinen Schoß fallen ließ, dann stand er auf, um den Hund hinauszulassen.
»Ich werde es nicht wieder erwähnen.«
»Gut.« Er drehte sich um. Sechs lange Monate hatte er darauf gewartet, dass sie vor seiner Tür stehen würde, und nun, da sie gekommen war, konnte er seinen Zorn nicht unterdrücken. »Warum bist du hergekommen?«
»Das hab' ich dir doch schon gesagt.«
»Du wolltest beim Fotografieren Gesellschaft haben, und da hast du dich vertrauensvoll an den guten alten Michael gewandt.«
Emma setzte die Flasche Ginger Ale ab und erhob sich. »Das hätte ich wohl besser unterlassen. Es tut mir leid, dass ich dich gestört habe.«
»Rein und raus«, murmelte er. »Das ist eine schlechte Angewohnheit von dir, Emma.«
»Ich bin nicht hergekommen, um mit dir zu streiten.«
»Wirklich zu schade. Es ist höchste Zeit, ein paar Dinge zu klären.«
Er trat einen Schritt auf
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