Naechtliches Schweigen
sie zu, woraufhin sie zurückwich. Etwas Schlimmeres hätte sie kaum tun können.
»Ich bin nicht Latimer, zum Teufel. Es steht mir bis hier, dass du jedesmal an ihn denkst, wenn ich dir auch nur einen Schritt zu nahe komme. Wenn wir einen Streit haben, dann wird er zwischen dir und mir und niemanden sonst ausgetragen.«
»Ich habe nicht die Absicht, mich mit dir zu zanken.« Ohne zu überlegen griff Emma nach der Flasche und warf sie gegen die Wand. Ein Strom von Ginger Ale und Glassplittern ergoß sich in die Spüle. Über ihre eigene Handlungsweise verblüfft, blieb Emma stocksteif stehen und blickte zur Spüle.
»Willst du noch eine?«
»Ich muss gehen.« Sie löste sich aus ihrer Erstarrung und langte nach ihrer Kamera, doch er war schneller und hielt ihre Hand fest.
»Diesmal nicht. Du verschwindest nicht einfach wieder aus meinem Leben, Emma, nicht, ehe ich nicht gesagt habe, was ich schon längst hätte sagen sollen.«
»Michael...«
»Sag jetzt nichts. Seit ich denken kann, habe ich dich schon begehrt. Erinnerst du dich noch an jenen Tag am Strand vor all den Jahren, an dem ich dich nach Hause gebracht habe? Damals war ich so verrückt nach dir, dass ich kaum denken konnte. Ich war gerade siebzehn, und noch Wochen später bist du mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wieder und wieder habe ich den ganzen Strand nach dir abgesucht, aber du bist nicht mehr gekommen.«
»Ich konnte nicht.« Sie drehte sich um, ohne jedoch den Versuch zu machen, das Haus zu verlassen.
»Ich bin darüber hinweggekommen.« Michael schüttelte eine Zigarette aus der Packung und durchsuchte eine Schublade, in der er Streichhölzer vermutete. »Ich dachte, ich hätte es überwunden, doch dann bist du zurückgekommen. Da mähe ich meinen Rasen und denke an nichts Böses, und plötzlich stehst du vor mir. Es hat mir fast den Atem verschlagen. Verdammt, da war ich kein Junge mehr, und ich war auch nicht mehr nur verknallt.«
Emmas Stimme wollte ihr nicht recht gehorchen. Eine andere, unbekannte Angst breitete sich in ihr aus. »Du kanntest mich doch kaum.«
Michael sah ihr ernst in die Augen. »Du weißt, dass das nicht stimmt, Emma. Zwischen uns war von Anfang an etwas Besonderes. Denk an den Tag am Strand, wo ich dich das erste Mal geküsst habe. Das erste und einzige Mal. Doch ich habe es nie vergessen. Und dann warst du fort.«
»Ich musste gehen.«
»Mag sein.« Er schnippte seine Zigarettenkippe zur Tür hinaus. »Damals habe ich mir eingeredet, dass es einfach nur der falsche Zeitpunkt war. Jahrelang habe ich mir das gesagt, immer wieder, bis ich schließlich selber dran glaubte.« Michael ging auf sie zu und hielt sie an den Oberarmen fest. Obwohl er spürte, dass sie zitterte, gab er sie nicht frei. Diesmal nicht. »Wann wird denn endlich der richtige Moment kommen, Emma?«
»Ich weiß wirklich nicht, was du jetzt von mir hören willst.«
»Blödsinn. Du weißt ganz genau, was ich von dir hören will.«
»Ich kann nicht.«
»Du willst nicht«, berichtigte er. »Wegen ihm. Deine Heirat hat mir fast das Herz gebrochen, und ich war derjenige, der damit leben musste. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich mein halbes Leben damit verbracht, dir nachzutrauern. Vielleicht wäre es mir gelungen, dich aus meinem Leben zu verbannen, doch dann bist du wieder zurückgekommen.«
»Ich...« Emma fuhr mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. »Ich konnte nicht anders.«
In seine Augen trat ein Ausdruck, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. »Ich dachte, diesmal würde alles anders kommen. Ich habe es jedenfalls gehofft. Und dann - als ich herausfand, was er dir angetan hat, da bin ich fast verrückt geworden. All diese Monate hatte ich Angst, dich zu berühren, Angst, dich zu verschrecken. Gib ihr Zeit, habe ich gedacht. Laß ihr Zeit, darüber hinwegzukommen. Zum Teufel damit!«
Er riß sie an sich und presste seine Lippen hungrig auf die ihren.
34
Das hatte sie nicht erwartet. Sie saß in der Falle. Es war nicht zu leugnen, dass er sie mit seinem Körper, seinem wie Feuer brennenden Mund gefangen hielt. Sie hatte angenommen, die Berührung eines Mannes würde in ihr nur Widerwillen und Furcht hervorrufen, doch diesmal war alles anders. Sie wurde von so vielen unterschiedlichen Gefühlen überwältigt, dass die Welt sich um sie zu drehen begann. Wärme, Sicherheit und plötzlich aufflammende Begierde.
Auf keinen Fall wollte sie sich ihrem Verlangen ausliefern, ihm ausliefern. Nie wieder würde sie zulassen,
Weitere Kostenlose Bücher