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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Achselzuckend riss Marianne das Blatt ab und begann, eine neue Zeichnung vorzubereiten. »Dreh dich mal ein bisschen, ja? Den Kopf mehr zur Seite. So ist's gut.«
    »Was Ernstes?« Emma schaute aus dem Fenster. Auf der Straße hasteten die Menschen vorbei, offenbar trieb sie der scharfe Wind, der Regen oder Schneeschauer verhieß, nach Hause. Ein Mann stand rauchend im Eingang des Feinkostgeschäftes gegenüber. Emma hätte schwören können, dass er direkt zu ihr hochschaute. »Wie bitte?« fragte sie, als ihr bewusst wurde, dass Marianne mit ihr sprach.
    »Ich sagte, es könnte ernst werden. Ich wünsche es mir. Unglücklicherweise handelt es sich um einen Senator.«
    »Welchen?«
    »Virginia. Kannst du dir das vorstellen? Ich mitten unter diesen aufgeputzten Washingtoner Ehefrauen?«
    »Ja«, erwiderte Emma lächelnd. »Kann ich mir gut vorstellen.«
    »Nachmittagstee und Protokolle.« Marianne rümpfte die Nase. »Wenn ich daran denke, dass ich womöglich eine ganze Rede über das Thema Verteidigungshaushalt durchstehen muss. Was gibt es denn da so Interessantes?«
    »Nichts.« Kopfschüttelnd wandte sich Emma vom Fenster ab. »Da steht bloß ein Mann unten auf der Straße.«
    »Na so was. Mitten in New York. Nicht schon wieder verkrampfen, Emma.«
    »Entschuldige.« Bewusst blickte Emma in eine andere Richtung und versuchte, sich zu entspannen. »Verfolgungswahn«, meinte sie leichthin. »Und wann lerne ich den Herrn Politiker kennen?«
    »Er ist in D. C.« Mit zwei Bleistiftstrichen warf Marianne Emmas Augenbraue auf das Papier. »Wenn du es nicht so eilig hättest, nach L. A. zurückzukommen, könntest du nächstes Wochenende mitkommen.«
    »Also ist es doch was Ernstes.«
    »Ziemlich. Emma, was ist denn da draußen bloß so faszinierend?« »Es ist dieser Mann. Es kommt mir so vor, als ob er mich die ganze Zeit anschaut.«
    »Klingt eher nach übertriebener Eitelkeit als nach Verfolgungswahn.« Marianne trat selber ans Fenster. »Wahrscheinlich wartet er auf Kunden. Verkappter Drogenhändler«, entschied sie. »Da wir gerade beim Thema sind: Was ist mit Michael? Willst du diesem Mann samt seinem Hund den Abschied geben?«
    »Ich brauche Zeit.«
    »Du hast dir mit Michael Zeit gelassen, seitdem du dreizehn bist«, stellte Marianne fest. »Wie fühlt man sich denn, wenn ein Mann seit über zehn Jahren hinter einem herrennt?«
    »Ganz so ist das nicht.«
    »Doch, genau so. Ich bin sowieso überrascht, dass er es fertiggebracht hat, in L. A. zu bleiben, obwohl du ein paar Tage hier verbringst.«
    »Er möchte mich heiraten.«
    »Welch eine Neuigkeit! Wer hätte das gedacht!«
    »Ich schätze, ich will einfach noch nicht so weit vorausplanen.«
    »Ja, weil du das Wort >Heirat< aus deinem Vokabular gestrichen hast. Also, was wirst du tun?«
    »Bitte?«
    »Wirst du Michael heiraten?«
    »Ich weiß es nicht.« Wieder schaute Emma aus dem Fenster. Der Mann stand immer noch da. »Ich werde abwarten, bis ich ihn wiedersehe. Vielleicht denken wir beide jetzt anders, wo sich die Dinge beruhigt haben und das Leben seinen normalen Gang geht. Verdammt!«
    »Was ist?«
    »Ich weiß gar nicht, warum ich nicht schon längst darauf gekommen bin. Papa hat wieder einen Leibwächter angeheuert.« Sie drehte sich um und sah Marianne mißtrauisch an. »Du weißt nicht zufällig etwas davon?«
    »Nein.« Auch Marianne blickte wieder aus dem Fenster. »Brian hat keinen Tor davon gesagt. Mensch, Emma, der Kerl steht einfach nur da. Wie kommst du darauf, dass er deinetwegen hier ist?«
    »Wenn du dein ganzes Leben lang unter Beobachtung gestanden hast, dann merkst du so was.« Ärgerlich trat sie vom Fenster zurück, wirbelte dann herum und riß es mit einem wütenden Fluch weit auf. »Hey!« Ihr unvermuteter Schrei verblüffte sie mindestens genauso wie den Mann auf der Straße. »Sagen Sie Ihrem Boß, ich kann auf mich selber aufpassen. Wenn ich Sie in fünf Minuten noch hier sehe, dann rufe ich die Polizei!«
    »Geht's dir jetzt besser?« fragte Marianne hinter ihr.
    »Viel besser.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob er dich von hier aus hören konnte.«
    »Der hat mich gehört«, sagte Emma zufrieden. »Da, siehst du? Er verschwindet.« Ein bisschen benommen zog sie den Kopf zurück. »Komm, laß uns gehen.«
    Michael befasste sich eingehend mit einigen Computerausdrucken. Es hatte ihn mehrere Tage Arbeit gekostet, diese Listen zu erstellen und zu vergleichen. In den letzten Wochen hatte er sich in den Fall Darren McAvoy genauso

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