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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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aller Sündhaftigkeit. Sie selbst war voller Sünde und dankbar dafür, dass ihre Mitbewohnerin, Marianne Carter, gleichermaßen schuldbeladen war. Ohne Marianne wären die Tage an der Saint Catherin's Academy zur Qual geworden.
    Grinsend dachte Emma an ihre lustige, rothaarige, sommersprossenübersäte Zimmergenossin und beste Freundin. Marianne war eine Sünderin, klar, und leistete gerade jetzt Buße für ihre jüngste Verfehlung. Die Karikatur, die sie von der Ehrwürdigen Mutter angefertigt hatte, bedeutete stundenlanges Badezimmerschrubben.
    Gäbe es Marianne nicht, Emma wäre davongelaufen. Nur - wohin?
    Es gab nur einen einzigen Ort auf der Welt, wo sie sich gerne hingeflüchtet hätte, und das war zu ihrem Vater. Und der würde sie umgehend zurückschicken.
    Nein, es war einfach nicht fair. Jetzt wurde sie bald dreizehn, war fast schon ein Teenager, und man sperrte sie in diese antiquierte Schule, um Verben zu konjugieren, den Katechismus aufzusagen und Frösche zu sezieren. Gräßlich!
    Dabei war es nicht so, dass sie die Nonnen hasste. Na ja, gab sie zu, vielleicht hasste sie Schwester Immaculata, die Vorsteherin. Doch wer mochte schon jemanden mit verkniffenem Mund und warzenbedecktem Kinn, der eine Vorliebe dafür hatte, heranwachsende Mädchen für die geringfügigsten Vergehen zu bestrafen?
    Papa hatte sich bloß amüsiert, als sie ihm von Schwester Immaculata erzählte.
    Sie vermisste ihn so, vermisste sie alle.
    Sie wollte nach Hause. Nur war ihr nicht ganz klar, wo sie eigentlich zu Hause war. Oft dachte sie an das Haus in London, das Schlösschen, wo sie für kurze Zeit so glücklich gewesen war. Dann fiel ihr Bev ein. Ihr Vater erwähnte Bev niemals, obwohl sie gar nicht geschieden waren. Die Eltern einiger ihrer Schulkameradinnen waren geschieden, aber darüber sprach man nicht.
    Und immer noch musste sie an Darren denken, ihren geliebten kleinen Bruder. Manchmal konnte sie sich kaum noch vorstellen, wie er ausgesehen, wie er geklungen hatte. Doch in ihren Träumen sah sie sein Gesicht kristallklar vor sich und hörte seine Stimme so deutlich, als ob er noch am Leben wäre.
    Emma konnte sich an die Geschehnisse jener Nacht, in der ihr Bruder gestorben war, kaum noch erinnern. Die Nonnen gewöhnten jungen Mädchen solchen Unsinn wie Monster sehr rasch ab. Aber immer dann, wenn sie krank oder sehr aufgeregt war, träumte sie wieder von dieser Nacht und durchlebte erneut die furchtbare Angst in der dunklen Diele, hörte die Geräusche um sich herum, sah die Monster vor sich, die den schreienden, sich wehrenden Darren gepackt hatten. Dann fiel sie die Treppe hinunter.
    Sobald sie aber aufwachte, war die Erinnerung ausgelöscht.
    Marianne stürzte, vor Erregung zitternd, ins Zimmer und hielt Emma ihre Hände unter die Nase. »Ruiniert!« Sie ließ sich rücklings auf das Bett fallen. »Welcher französische Graf würde sie jetzt noch küssen wollen?«
    »Harte Zeiten?« fragte Emma mit kaum verhohlenem Grinsen.
    »Fünf Badezimmer. Ekel-haft! Igitt! Wenn ich aus diesem Bau rauskomme, halte ich mir eine Haushälterin für meine Haushälterin.« Sie rollte sich auf den Bauch und strampelte mit den Beinen. Emma lächelte bloß und genoss den Klang von Mariannes frischer amerikanischer Stimme. »Ich hab' gehört, wie Mary Jane Witherspoon zu Terese O'Malley gesagt hat, dass sie's diesen Sommer mit ihrem Freund tun will.«
    »Wer denn?«
    »Weiß ich nicht. Der Typ heißt Chuck oder Huck oder so.«
    »Nein, Mary Jane oder Teresa.«
    »Mary Jane, du Esel. Sie ist immerhin sechzehn und ganz gut entwickelt.«
    Emma sah auf ihre eigene flache Brust hinunter und fragte sich, ob sie mit sechzehn einen nennenswerten Busen haben würde. Oder einen Freund.
    »Und wenn sie schwanger wird, so wie Susan letzten Frühling?«
    »Ach, Mary Janes Leute würden das schon regeln. Die haben Geld wie Heu. Außerdem nimmt sie da was, so Zäpfchen.«
    »Jeder nimmt mal Zäpfchen.«
    »So was doch nicht, Dummerchen. Geburtenkontrolle. Verhütung.«
    »Ach so.« Wie immer beugte sich Emma Mariannes größerer Erfahrung.
    »Weißt du, man führt so ein Ding in die heiligen Hallen ein, dann bildet sich Schaum, und schon sind die Spermien hinüber. Totes Sperma kann dich nicht anbuffen.« Marianne gähnte die Decke an. »Ich frag' mich, ob Schwester Immaculata es schon mal getan hat.«
    Allein der Gedanke brachte Emma völlig aus der Fassung. »Bestimmt nicht. Vermutlich badet sie sogar in ihrer Tracht.«
    »Heiliger Bimbam, fast

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