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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Polizeifoto eines kleinen Jungen.
    »Ich habe deinen Vater nicht vergessen.« Emma zeichnete kleine Kreise in den Sand. »Er hat mich damals im Krankenhaus besucht, als wir meinen kleinen Bruder verloren haben.«
    »Er ist jetzt Captain«, bemerkte Michael, dem nichts Besseres einfiel.
    »Das ist schön.« Dazu erzogen, unter allen Umständen die Form zu wahren, bat sie: »Grüß ihn bitte von mir.«
    »Mach ich.« Es entstand eine Pause, die nur von dem Geräusch der Wellen ausgefüllt war. »Ah, sag mal, magst du eine Cola oder so was?«
    Die Frage verwirrte Emma. Zum ersten mal in ihrem Leben hatte sie sich länger als fünf Minuten mit einem Jungen unterhalten. Mit Männern dagegen schon, ihr ganzes Leben wurde ja von Männern bestimmt. Aber von einem Jungen, der nur ein paar Jahre älter war als sie, zu einer Cola eingeladen zu werden, war eine wundervolle und beglückende Erfahrung. Fast hätte sie zugestimmt, doch da fielen ihr die Leibwächter ein. Sie hätte es nicht ertragen, von ihnen beobachtet zu werden.
    »Danke, aber ich gehe jetzt besser. Papa wollte mich in einigen Stunden abholen, aber für heute hab' ich genug vom Wellenreiten. Ich muss ihn nur anrufen.«
    »Ich kann dich nach Hause bringen.« Unruhig zuckte er mit den Schultern. Zu dumm, sich einem Kind gegenüber gehemmt zu fühlen. Aber seit er in der neunten Klasse Nancy
    Brimmer aufgefordert hatte, mit ihm zum Valentinsball zu gehen, war er nicht mehr so nervös gewesen. »Ich fahre dich nach Hause«, fuhr er fort, als Emma ihn wortlos anstarrte. »Wenn du möchtest.«
    »Du hast doch bestimmt noch was vor.«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Er wollte nur ihren Vater wiedersehen, entschied Emma, und das plötzliche Glücksgefühl verschwand. Ein Junge wie er - nun, er musste mindestens schon achtzehn sein - würde sich sicher nicht für sie interessieren. Aber mit der Tochter von Brian McAvoy war das natürlich etwas anderes. Sie zwang sich zu einem Lächeln. Immerhin hatte er ihr das Leben gerettet. Wenn sie ihn nur mit dem Anblick ihres Vaters belohnen konnte, dann würde sie das tun.
    »Ich würde gern mit dir fahren, wenn es nicht zu viele Umstände macht.«
    »Ach woher.« Er grub die Füße in den Sand. Vielleicht dachte sie, er wolle sie anbaggern.
    »Dauert nur eine Minute.« Sie lief in Richtung ihrer Leibwächter davon und schnappte sich auf dem Weg ihr Strandtuch und ihre Tasche. »Mein Freund fährt mich nach Hause«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    »Miß McAvoy.« Der Mann namens Masters räusperte sich. »Es wäre besser, Sie würden Ihren Vater anrufen.«
    »Es gibt keinen Grund, ihn zu stören.«
    Sweeney, der zweite Mann, wischte sich die schweißnasse Stirn. »Ihr Vater würde es gar nicht gern sehen, wenn Sie zu einem Fremden ins Auto steigen.«
    »Michael ist kein Fremder.« Der überhebliche Tonfall ließ sie innerlich zusammenzucken, aber sie wollte und konnte sich nicht vor Michael demütigen lassen. »Ich kenne ihn, und mein Vater kennt ihn auch. Michaels Vater ist Captain bei der hiesigen Polizei.« Emma streifte ein langes, buntes T-Shirt über ihren Bikini. »Außerdem fahren Sie uns ja sowieso hinterher, also was soll's?« Sie drehte sich um und ging hocherhobenen Hauptes auf Michael zu, der mit den Surfbrettern auf sie wartete.
    »Komm schon.« Sweeney legte eine Hand auf Masters' Schulter. »Laß der Kleinen doch den Spaß. Viel hat sie ja eh nicht.«
    Michaels Benzinanzeige näherte sich bedrohlich dem roten Bereich, als die hohen Eisentore von Beverly Hills in Sicht kamen. Leise Überraschung zeichnete sich auf dem Gesicht des Wachpostens ab, ehe er einen Hebel umlegte und die Tore sich wieder schlössen. Michael fuhr die von Bäumen gesäumte Auffahrt entlang und bedauerte heftig, dass er nur abgetragene Sandalen und ein altes Sporthemd über seiner Badehose trug.
    Das Haus bestand ganz aus rosa Stein und weißem Marmor, lag inmitten eines gepflegten grünen Rasens. Ein Pfau stolzierte majestätisch über das Gras.
    »Hübsches Häuschen.«
    »Es gehört eigentlich P.M. Oder vielmehr P. M.s Frau.« Plötzlich schämte sich Emma ein wenig der lebensgroßen Marmorlöwen, die den Eingang flankierten. »Irgendein Filmstar - ich kann mich nie an den Namen erinnern - hat es sich bauen lassen. Angie hat dann alles renoviert. Sie filmt gerade in Europa, also wohnen wir für ein paar Wochen hier. Hast du noch Zeit, mit reinzukommen?«
    »Ja, ich hab' noch Zeit.« Zweifelnd blickte Michael auf den

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