Naechtliches Schweigen
und außer Atem?«
»Ja«, gab sie lachend zu. »Genau so.«
Bev hatte einmal das gleiche Gefühl verspürt. Einmal nur. »Du hast viel Zeit, um ihn näher kennenzulernen. Laß es langsam angehen.«
»Das habe ich immer getan«, brummte Emma. »Hast du es mit Papa auch langsam angehen lassen?«
Es tat weh. Nach über fünfzehn Jahren tat es immer noch weh. »Nein. Ich wollte auf niemanden hören.«
»Du hast auf deine innere Stimme gehört. Mami...«
»Bitte, laß uns nicht von Brian sprechen.«
»Gut. Nur eines noch. Papa fährt zweimal im Jahr nach Irland, zu Darrens Grab. Einmal an Darrens Geburtstag, und einmal an... im Dezember. Ich dachte, das solltest du wissen.«
»Danke.« Bev drückte Emmas Hand. »Aber du bist doch nicht gekommen, um über so traurige Dinge zu reden?«
»Nein, allerdings nicht.« Emma legte eine Hand auf Bevs Oberschenkel. »Ich habe eine lebenswichtige Bitte an dich. Ich brauche für heute abend etwas absolut Atemberaubendes zum Anziehen. Kommst du mit und hilfst mir beim Aussuchen.«
Erfreut sprang Bev auf. »Ich hole meine Jacke.«
Emma hatte sich schon beinahe überzeugt, dass es unsinnig war, sich über ihre Kleidung Gedanken zu machen. Sie war hier, um zu fotografieren, und nicht, um mit dem Leadsänger der Vorgruppe zu schäkern. Es gab so viel zu tun. Die Ausrüstung und die Beleuchtung mussten überprüft werden, sie musste den Helfern und den Rauchkanonen ausweichen, so dass sie bald vergaß, über eine Stunde auf ihre Kleidung verwendet zu haben.
Das Publikum strömte bereits in den Saal, obwohl das Konzert erst in einer halben Stunde begann. Fliegende Händler hatten überall ihre Stände aufgebaut und verkauften Sweatshirts, T-Shirts, Poster und Schlüsselanhänger. In den achtziger Jahren war der Rock'n'Roll nicht mehr allein das Lebensgefühl der rebellierenden Jugend, sondern purer Kommerz.
In ihrem schlichten schwarzen Kostüm konnte sie unerkannt durch die Menge streichen und Bilder von den Fans machen, die sich an den Ständen drängten, um Erinnerungsstücke an das große Konzert zu erstehen. Die Person ihres Vaters stand im Mittelpunkt der Gespräche. Lächelnd erinnerte sich Emma an jenen Tag vor so langer Zeit, an dem sie vor dem Fahrstuhl des Empire State Building gewartet hatte. Damals war sie knapp drei gewesen, und heute, neunzehn Jahre später, versetzte Brian McAvoy noch immer Teenagerherzen in Aufruhr.
Langsam schlenderte sie weiter. Der Ausweis am Revers ihres Kostüms verschaffte ihr Zutritt zu allen Einrichtungen des Konzertsaales. Der Sicherheitsbeamte nickte nur und winkte sie durch.
Hinter der Bühne ging es zu wie im Tollhaus. Ein Verstärker war ausgefallen, Kabel hatten sich verheddert, und ein verzweifelter Techniker stürzte herein und wieder hinaus, um überall noch Hand anzulegen. Emma machte ein paar Aufnahmen und überließ dann Techniker und Beleuchter ihrer Arbeit, während sie sich zu den Garderoben begab, um ihren Job zu erledigen.
Ihr schwebten Aufnahmen in der Art vor, wie sie sie früher einmal gemacht hatte. Papa und die anderen in der Garderobe, kettenrauchend, Gummibärchen oder gebrannte Mandeln kauend, lachend, blödelnd. Bei diesem Gedanken musste sie lächeln, und in diesem Moment lief sie Drew in die Arme. Er schien auf sie gewartet zu haben.
»Hallo.«
»Hi.« Emma spielte nervös mit dem Riemen ihrer Kamera. »Ich wollte mich noch für Ihr Geschenk bedanken.«
»Ich dachte zuerst an Rosen, aber dafür war es schon zu spät. Sie sehen großartig aus.«
»Danke.« Emma musterte ihn genauer. Er war bereits in Bühnenaufmachung, einem weißen, silberverzierten Lederanzug und kniehohen Stiefeln. Mit seinem kunstvoll zerzausten Haar und dem leichten Lächeln machte er den Eindruck eines flotten Cowboys.
»Sie übrigens auch«, brachte Emma schließlich hervor, als sie bemerkte, wie lange sie ihn schon anstarrte. »Sie sehen auch großartig aus.«
»Wir wollen ja auch Aufsehen erregen.« Drew rieb seine Handflächen an der Hose. »Wir sind vor Aufregung alle ganz krank. Don - unserem Bassisten - ist speiübel. Er hängt gerade über der Schüssel.«
»Mein Vater sagt immer, je aufgeregter man ist, desto besser spielt man.«
»Dann müssten wir einen Riesenerfolg haben.« Versuchsweise nahm er ihre Hand. »Haben Sie sich überlegt, ob sie später auf einen Drink mitgehen?«
Sie hatte an nichts anderes gedacht. »Eigentlich wollte ich...«
»Ich dränge zu sehr.« Drew holte tief Atem. »Aber ich kann nichts
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