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Naerrisches Prag

Naerrisches Prag

Titel: Naerrisches Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerová
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meine Reise über Paris nach London mit der Eisenbahn an. Im Grenzort Cheb (Eger) passierte ich ohne Hindernis die Paß- und Zollkontrolle, atmete auf und verkroch mich in einer Ecke des Abteils. Der Zug stand still, machte keine Anstalten, sich erneut in Bewegung zu setzen. Auf einmal ging die Tür des Abteils energisch auf, ein sehr junger Grenzsoldat wies mit dem Finger auf mich und sagte:
    »Packen Sie Ihr ganzes Gepäck zusammen und kommen Sie!«
    »Warum?«
    »Nehmen Sie alles mit und los!«
    Mit meinen zwei Koffern (Geschenke für die Familie) kletterte ich aus dem Wagen. Der Junge sah zu und rührte sich nicht. Wir trotteten den Zug entlang, er vor mir, ich mit den Koffern ihm nach. Aus den Wagenfenstern beguckten uns die Fahrgäste verwundert, manche auch beunruhigt, je nachdem.
    »In der Zollerklärung haben Sie alles angeführt?« fragte der Knabe in Uniform auf einmal.
    »Selbstverständlich.«
    »Auch was Sie jemandem bestellen sollten?«
    »Sie meinen einen Gruß an Tante Marie? Nein, so etwas nicht.«
    Er schnitt eine Grimasse, wir trabten weiter und erreichten das schäbige Bahnhofsgebäude.
    Drinnen mußte ich alles aus den Koffern herausholen. Auf einem Tisch türmten sich meine Pullis, Unterwäsche, Kosmetik, handgestricktes Kleinkinderzeug, eine Puppe, ein Plüschhündchen. Eine junge Frau in der Uniform der Sicherheitsbeamten durchwühlte den Haufen, dann mußte ich wieder alles einpacken, weil sie offenbar nicht gefunden hatten, was sie vermuteten. Ich durfte meine Koffer wieder zurückschleppen.
    Als ich mich in dem Abteil pustend auf meinen Platz fallen ließ, setzte sich der Zug in Bewegung. Meine Untersuchung hatte eine Verspätung von mehr als einer halben Stunde zur Folge. Aber ich fuhr weiter, mußte nicht, wie ich befürchtet hatte, von der Grenze nach Prag zurückkehren.
    Bei meiner nächsten Reise versuchte ich klug zu sein und kaufte ein Flugticket, wollte die Grenzprozedur im Zug nicht mehr über mich ergehen lassen. Und Abflugzeiten müssen eingehalten werden.
    Im Prager Flughafen passierte ich anstandslos die Sicherheitskontrolle, mein Gepäck glitt hinunter in den Laderaum, ich begab mich beruhigt zur Paßkontrolle. Der Beamte grüßte höflich, blätterte in meinem Paß, nahm dann den Stempel zur Hand, hob ihn – und ließ ihn plötzlich in der Luft stecken.
    »Warten Sie«, sagte er, nicht mehr so höflich, und drückte auf seinem Pult auf einen Knopf.
    Nach ein paar Minuten erschien ein Zivilbeamter. »Kommen Sie mit!«
    Schon wieder! Ich kam mit, konnte nichts anderes tun. Mein Gepäck war auch wieder da und wurde gründlich untersucht. Diesmal, es war kurz vor Weihnachten, duftete ein Apfelstrudel in dem Koffer. Das uniformierte Fräulein von der Sicherheitsbehörde hatte lange, karminrot bemalte Fingernägel. Als sie einen in meinen Strudel bohrte, stieß ich empört hervor: »Pfui, so etwas tut man nicht!«
    Sie machte eine Grimasse, der Beamte, der mich eskortierte, blickte weg. Dann verschwand er mit meinem Adressenbüchlein. Du liebe Einfalt! Glaubten sie wirklich, dort Konspiratives zu entdecken? Nach einer Weile kam er zurück, überreichte mir meinen Paß und das Adressenbüchlein und sagte:
    »Jetzt ist alles in Ordnung, glückliche Reise.«
    »Nichts ist in Ordnung«, entgegnete ich wütend. »Wollen Sie mir bitte sagen, was das Ganze zu bedeuten hat?«
    »Das weiß ich nicht.« Er fiel ganz aus seiner Rolle. »Man hat mir angeordnet, Sie zu durchsuchen, nicht mitgeteilt, warum.«
    Das konnte sogar wahr sein. Mit der Handtasche unter dem Arm und dem abgestempelten Paß in der Hand betrat ich endlich den Warteraum der abgefertigten Passagiere, der auf dem damals noch nicht modernisierten Prager Flughafen mit einer Glaswand von den Kontrollstellen getrennt war.
    Als ich mich nach einem Sitzplatz umblickte, kam ein älterer Herr auf mich zu, verneigte sich leicht und sagte in bestem Englisch:
    »Gestatten Sie, Madame, daß ich Sie zu einem Gläschen einlade.«
    »Vielen Dank«, antwortete ich überrascht, »das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Aber warum?«
    »Weil ich glaube, daß Sie so etwas jetzt gerade brauchen«, lautete die sachlich freundliche Antwort. Dem Gentleman war mein Zusammenstoß mit der Sicherheitsbehörde hinter der Glaswand nicht entgangen.
    Wir tranken gemeinsam einen Whisky und verabschiedeten uns danach voneinander. Er reiste mit demselben Flugzeug wie ich, nickte mir nur mehr bei der Landung in London von weitem höflich zu.
    Wann immer ich

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