Naerrisches Prag
viele schöne Originale verschiedener Meister, denn nun ist es der Standort einer Galerie namens Goldene Gans.
Bei meinem Rundgang warf ich natürlich auch einen Blick auf den Hof, in der törichten Hoffnung, deren Unsinnigkeit ich mir nicht eingestehen wollte, meine Pappel könnte noch da sein. Das kann sie selbstverständlich nicht, mußte einem Parking mit Garage Platz machen.
Nach diesem Besuch kann ich jetzt wieder ganz vergnügt durch die Lange Gasse laufen. »Mein« Haus hat eine gründliche Metamorphose über sich ergehen lassen, ist anders geworden wie alles ringsum auch. Aber es steht und lebt, das ist die Hauptsache. Und es ist abermals einekulturelle Einrichtung und keine obszöne Touristenattraktion.
Schämst du dich nicht ein bißchen, Melantrichgasse?
Hör mal, mein Freund, der du gleichzeitig an drei Tischen zu sitzen pflegst, hast du da nicht ein bißchen mitgeholfen? Du hattest doch die Möglichkeit, dem neuen Besitzer des Hauses einzuflüstern, daß hier schon seit Jahren nicht mehr Bier, vielmehr Kultur verabreicht wird und daß das so bleiben sollte, weil man aus der Vergangenheit Lehren ziehen und in der Gegenwart nicht jede neue Dummheit übernehmen sollte.
Nach dem abrupten Ende meiner journalistischen Tätigkeit als eine der unausweichlichen Folgen des abrupten Endes des Prager Frühlings, nach meiner Kündigung, mit der ich rechnen mußte, die mich aber dennoch wie ein Blitz aus unheiterem Himmel traf, hatte ich wieder einmal Glück im Pech. Im krampfhaft »normalisierten« Prag fand ich einen verhältnismäßig guten Unterschlupf. Ich wurde auf freiem Fuß Mitarbeiterin einer Agentur für Dolmetscherarbeiten. Das ist eine anonyme Tätigkeit, Kongreßoder Diskussionsteilnehmer wissen in der Regel nicht, wer in den Kabinen im Hintergrund des Saales ihre Worte in eine andere Sprache übersetzt. Diese Beschäftigung wurde mir nicht verwehrt. Meine bilinguale deutsch-tschechische Erziehung bescherte mir neue Früchte.
In der damaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik konnten internationale Organisationen relativ billig ihre Symposien, Konferenzen oder auch Kongresse abhalten. Der Wechselkurs im Lande war für sie günstig, und Prag genoß den Ruf einer verlockend schönen Stadt.
Das war jedoch nur eine Seite dieser florierenden Tätigkeit. Die andere war für einen Teil der hierbei Engagierten noch attraktiver. Aus nicht weiter erklärbaren und erklärten Gründen fanden in jenen Jahren Treffen z. B. des Internationalen Journalistenverbands, des Internationalen Studentenbundes und ähnlicher Organisationen fast ausnahmslos in exotischer Ferne, auf anderen Kontinenten statt. Ich wunderte mich, warum Journalisten oder Teilnehmer der sogenannten Permanenten Christlichen Friedenskonferenz ausgerechnet in Moçambique, Sierra Leone, in Simbabwe oder im Senegal zusammenkamen. Waren sie bei ihren internationalen Zusammenkünften wirklich imstande, die inneren Widersprüche in jenen Ländern zu glätten, und trauten sie sich sogar zu, uralte Traditionen in die »richtigen« Bahnen zu lenken? Gab es in jenen Erdteilen so bedeutsame Presseleute, daß ihre europäischen Kollegen die lange Reise auf sich nahmen, um ihre Medienwelt aus unmittelbarer Nähe kennenzulernen? Oder war es nicht eher die Möglichkeit eines interessanten und abenteuerlichen Ausflugs, die die Wahl des jeweiligen Tagungsortes dieser internationalen Zusammenkünfte bestimmte? Meine Kollegen lernten auf solche Weise ein gutes Stück Afrika und Asien kennen. Zweifellos eine positive Seite derartiger Unterfangen.
Ich war kein »Reisekader«, durfte die Grenze meiner Heimat professionell um keinen Meter überschreiten.
»Schade, daß du niemals mitkommen kannst«, bedauerte man mich manchmal.
»Mitkommen kann ich nicht, aber hinkommen an diese Ecken und Enden unserer Welt werde ich bestimmt einmal«, antwortete ich mehr selbstbewußt als berechtigt,hatte nicht den geringsten Rückhalt für eine solche Behauptung.
Aber das Wunder geschah. Das selbstherrliche Regime fiel nicht eines Tages, sondern wörtlich über Nacht zusammen, und bald danach begann ich zu reisen. Sogar auch nach dem Senegal.
Ehe dieses neue Kapitel in meinem Leben einsetzte, kämpfte ich die ganzen Jahre hartnäckig darum, meine in London lebende Tochter und ihre Familie ab und zu besuchen zu können, was nicht ohne langwierige amtliche Bewilligungsverfahren möglich war und auch dann nicht immer glatt und reibungslos verlief.
Einmal trat ich
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