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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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geh beiseite, du wirst noch frieren< und lachte, und mein Stiefvater weinte.
    Diesen winterlichen Geruch werde ich nie vergessen, so riechen unsere Winter schon lange nicht mehr. Ist das die globale Erwärmung, oder verflacht einfach alles, unser Volk und das Klima - sind die Winter heutzutage etwa noch Winter? Der Schnee ist irgendwie warm, träge und schlaff, die Luft feucht und abgestanden wie in einem Keller, das ist kein russischer Winter, das ist Spielerei. Mit solchem Winter kann man nicht gegen Hitler antreten. Ich habe gehört, dieses Jahr wurden die Rüstungsausgaben im Haushalt kräftig erhöht, wir brauchen wohl mehr Raketen, weil wir uns nicht mehr auf den Winter verlassen können. Aber das nur nebenbei.
    Seit drei Wochen wache ich zwei-, dreimal in der Woche vor Kälte auf. Ich sehe: die Schlafzimmertür ist weit offen, darin steht mein Stiefvater, ganz durchsichtig, bläulich, mit Schnee bedeckt, obwohl ja Sommer ist, mit einem Krokodil in der Hand, aber es ist nicht aufblasbar, sondern lebendig und windet sich. Er steht da, Fjodor Iwanowitsch, und sieht mich an, schaut und schweigt; die Schneeflocken auf ihm schmelzen nicht, nein, von ihm geht Kälte aus, wie damals, aber jetzt mit einem unguten Beigeschmack. Er steht da und schaut und schweigt, und das Krokodil will sich aus seinen Händen losreißen; und die Kälte strömt und strömt, bis das ganze Zimmer mit Reif überzogen ist, bis ich zittere, blau anlaufe und mein Gehirn erstarrt. Wenn er sieht, dass ich nicht mehr kann, dass ich jeden Moment eingehe, verschwindet er; und ich kann bis zum Morgen weder warm werden noch einschlafen, ich klappere mit den Zähnen, klappere und klappere.
    Letzte Nacht hat das Gespenst mir eine Atempause gegönnt und ist nicht erschienen. Ich denke, heute wird es kommen. Deshalb wollte ich die tragische Geschichte des dänischen Prinzen noch einmal lesen, mich sozusagen zum Umgang mit Gespenstern kundig machen.«
    Alas, he's mad, dachte Jegor.
    »Du denkst, o weh, er ist bekloppt?«, erriet der gewohnt feinsinnige Chief. »Nein, Bruder, kein bisschen! Immerhin ist ein vorhandenes Gewissen, soviel ich weiß, ein Zeichen geistiger Gesundheit, oder? Aber genug, du hast schließlich ein Anliegen. Von meinen Gräueln habe ich berichtet. Nun erzähl du von deinen.«
     

29
    Jegor erzählte von Plaksa, von dem Film, dem Klub
Unter uns
und von seinen Ahnungen.
    »Und?«, fragte Chief verständnislos. »Was willst du jetzt von mir?«
    »Wie gesagt, da waren Tschepanow, Erdman; du kennst sie persönlich, ich nicht. Du kennst überhaupt viele Leute, du hast Beziehungen ganz oben, im Innenministerium, bei der Presse. Du sollst in Erfahrung bringen, was für ein Studio dieses >Kafka's Pictures< ist, und wer dieser Regisseur Mamajew ist, und - überhaupt - was da vorgeht«, erläuterte Jegor.
    »Und wozu? Meinst du wirklich, sie hätten Plaksa getötet und einen Film aus dem Mord gemacht? Blödsinn. Wem sollte das etwas nützen? Das sind alles Spezialeffekte. Zu echt, nicht echt genug - was verstehen wir beide schon davon? Hier geht's um Kino, nicht um Bücher«, knurrte Chief. »Was du da vermutest, ist höchst unwahrscheinlich.«
    »Mir passiert immer genau das, was am wenigsten wahrscheinlich ist. Das ist gegen jede Wissenschaft, aber ich lebe nun mal unwissenschaftlich, und ich denke, streng nach der Wissenschaft existieren überhaupt nur Myonen und Medusen. Sieh dich um: Das Universum ist ein ziemlich rauer Ort. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in der Leere um den absoluten Nullpunkt herum Leben entzündet und besteht, ist minimal, sie geht praktisch gegen null; doch das Leben lebt und entzündet sogar neues. Und dann: Unter den sechs Milliarden Menschen in der kleinen Gruppe derer zu landen, die Vintage-Zigarren rauchen und Foie gras aus dem Glas futtern, ist unwahrscheinlicher, als zu der gescheiterten Mehrheit in den Astrachaner Baracken, Pariser Vororten oder den Weiten der Republik Tschad zu gehören. Es ist unwahrscheinlich, aber wir sind hier und nicht dort. Es ist seltsam, dass zwei harmlose Typen wie wir, kurzsichtige Leser von Wallace Stevens, Süskind und Bely, unsere stille Redaktion verlassen und mit einem Totschläger losziehen, um für Foie gras und modische Hosen zu morden. Unwahrscheinlich, gegen die Wissenschaft, aber so ist es. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Plaksa ermordet wurde, aber wenn doch? Auch wenn sie nicht getötet wurde, so kann sie doch zu einer Sklavin für sadistische Pornos gemacht

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