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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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brüderlich zu erschießen, waren gleichermaßen vertreten.
    Zum Schaschlik trank Jegor köstliches falsches Bordschomi-Mineralwasser und entdeckte in einer schweigsamen Gruppe von Maschinengewehrschützen in Zivil den libertären Bombenleger Kryssawin.
    »Jegor, was machst du denn hier?«, brüllte Kryssawin durch den ganzen Saal.
    »Kleiner Jagdausflug«, erwiderte Jegor von seinem Platz aus. »Und du? Hallo.«
    »Hallo. Ich bin nur für einen Tag hier, Sprengstoff kaufen. Die Jungs hier verkaufen guten Sprengstoff.« Er wies auf seine Tischgenossen. »Fast rein. In Moskau dagegen, du weißt ja, da verpanschen sie das Zeug, bis zu siebzig Prozent Seife, Plastilin oder Fensterkitt. Wenn das explodiert, gibt's nur Qualm und Gestank, das war's dann auch schon. Und dann ist es auch noch doppelt so teuer. Darum decke ich mich hier ein, ist nicht gerade um die Ecke und ein bisschen gefährlich, aber dafür ist die Ware okay«, brüllte Kryssawin über die Köpfe hinweg. Niemand schenkte ihm auch nur die geringste Beachtung. Seine Tischgenossen schwiegen, als wollten sie mit ihren stillen Mienen sagen: Na, vielleicht übertreibt er ein bisschen, aber mal ganz ehrlich - unser Sprengstoff ist wirklich besser. Das ist Fakt, dagegen ist nichts zu sagen. Was wahr ist, ist wahr.
    »Wissen sie denn wenigstens, wen du auf den Märkten in Moskau in die Luft jagst?«
    »Meine Ansichten sind ihnen bekannt, sie wissen, dass ich Schwarzärsche vernichte.«
    »Aber sie sind doch selber nicht gerade blond.«
    Kryssawins Lieferanten nickten, wortlos bestätigend: Stimmt, wir sind nicht blond. Was wahr ist, ist wahr.
    »Das ist ein Geschäft, Jegor, ohne jede Ideologie. Sie haben doch auch keine eigenen Rüstungsbetriebe. Sie kriegen die Ware von unserer Armee, gegen die sie seit zweihundert Jahren kämpfen. Globalisierung, Welt ohne Grenzen und Krieg ohne Grenzen«, donnerte Kryssawin durch das ganze Cafe; seine quarkweiße, verquollene Visage war ein bemerkenswerter Kontrast zu den schwarzbärtigen und schwarzäugigen Gesichtern seiner Partner. Plötzlich ertönte aus dem Telefon des einen eine Lesginka, er hielt es sich ans Ohr, schwieg drei Minuten lang in den Hörer, stand plötzlich auf und verließ ohne ein einziges Wort das Café. Mit ihm verschwanden, ebenfalls wortlos, alle anderen, auch Kryssawin ging, ohne sich umzudrehen, ohne sich zu verabschieden. Jegor dachte:
    Was für eine Schande, eine Schande! Dieser fette Kretin, dieses Professorensöhnchen, der sollte friedlich auf einem hocheinträglichen Lehrstuhl sitzen, wie Papa. Er hat keinen einzigen Grund, das Schicksal, die Menschen und sich selbst zu hassen. Und aus purem Aberwitz, aus einer Laune, um seine billige Eitelkeit zu befriedigen, um ja nicht zu sein wie alle, aus schwer erklärlichem Hass auf Fremde (dabei ist er mit einer Georgierin verheiratet) fährt dieser Kryssawin sonst wohin, egal, Hauptsache Aufruhr und Krieg. Fährt hin, um von einheimischen Kriminellen Sprengstoff zu kaufen. Und den kutschiert er dann durchs halbe Land. Allein dafür kann er für zehn Jahre im Knast landen. Aber damit nicht genug! Er legt mit seinen Ku-Klux-Klan-Rotznasen (von denen jeder Einzelne ihn bei der ersten Gelegenheit ans Messer liefern würde) Minen in Aser-Buden und sprengt sie in die Luft, bringt einen Haufen Leute um. Dafür gibt's schon lebenslänglich. Und das alles nur so, ohne Not, im Grunde nur zum Vergnügen.
    Und ich! Ich zögere, schimpfe, jammere wie ein Waschweib. Die Frau, die ich geliebt habe, die ich liebe, wurde vielleicht ermordet. Bestimmt wurde sie ermordet. Bestimmt liebe ich sie. Und den Film hat man mir mit Absicht gezeigt. Und ich! Ich denke gleich - ich habe sie nicht geliebt, und sie hat mich nicht geliebt. Sie ist es nicht wert, gerächt zu werden. Auf den ersten Blick ein richtiger Gedanke, aber wenn du genauer hinschaust, enthält er nur ein Viertel Wahrheit und drei Viertel Feigheit. Nur nichts tun, nur nicht sein, sich aus Feigheit tot stellen, nur um sich nicht wehren zu müssen. Was ist denn in Wahrheit cooler? Sich abzufinden, geduldig zu lächeln, wenn dich jeder, der gerade will, in den Arsch fickt? Und zu glauben, das sei das Beste, denn einer müsse ja schließlich als Erster aufhören, sich zu rächen, aufhören zu töten, den Teufelskreis des Hasses durchbrechen? Sich abfinden und sich so vom Tod lossagen? Oder - nein! Oder - zur Knarre greifen und die ganze Drecksbande abknallen. Xerxes, ja, der hat das Meer ausgepeitscht - dumm, aber

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