Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
Vom Netzwerk:
cool. Und was macht das schon für einen Unterschied - zehn Jahre, lebenslänglich, Tod. Das ist wie Einschlafen, das ist gut. Obwohl ... Was träumen Tote? Wer weiß. Vielleicht Schlimmeres als diesen Scheiß hier. Dann stehst du blöd da. Und kratzt dir die Rübe. Und so ist es immer - je mehr du nachdenkst, desto weniger verstehst du. Und tust noch weniger. Lass ab von mir, Stumpfheit! Lass ab, Angst...
    Mit seinen Gedanken bis hierher gelangt, ging Jegor hinaus und wählte aus irgendeinem Grund Chiefs Nummer. Der Ruf schien noch gar nicht abgegangen, da meldete sich Igor Fjodorowitsch schon.
    »Hallo, Jegor.« - »Hallo, Chief. Ich wollte nur fragen: Hast du vielleicht Plaksa umgebracht?« - »Ist da Jegor?« - »Jegor, klar. Und mich mit Hilfe dieser Tschekistin in den Süden gelockt, um mich den hiesigen Tieren zum Fraß vorzuwerfen?« - »Warum sollte ich das tun?« - »Ich habe deinen Vater getötet.« -»Stiefvater.« - »Er hat dich großgezogen, seit du drei warst, das hast du selber gesagt. Und außerdem hab ich mich im Laufe der Zeit selbständig gemacht und nichts mit dir geteilt. Das kannst du mir auch nicht verzeihen. Dabei hast du so viel für mich getan, mich unter Menschen gebracht, und sogar weiter, und ich hab mich nicht mal bedankt.« - »Leeres Gerede. Kleinkarierte Gedanken. Ich werde mich nicht zu deinem feigen Geschwätz herablassen, Jegor.«
    Chief unterbrach die Verbindung, und Jegor bekam ein schlechtes Gewissen. Er rief Struzki an. Kurz darauf war er bei ihm zu Hause, erklärte sich, zahlte. Und kurz darauf näherte er sich mit einem Jeep dem verwitterten Fuß schrundiger, hässlicher Berge.
     

39
    Struzki, ein russischer Offizier, den der Krieg schon dreizehn Jahre in der Fremde festhielt, war dank unserer nationalen Eigenschaft, sich unter Fremden rasch anzupassen, kaum noch von einem Bergbewohner zu unterscheiden. Mit seiner ganzen Umgebung auf Du und Du und zu Allah bekehrt, vermutlich, um nicht so weit zu Gott fahren zu müssen, war er auf unerklärliche Weise vom weißblonden stupsnasigen Muromer zu einem Hiesigen mutiert. Er sprach und dachte wie die Einheimischen, hatte die russische Sprache fast vergessen, was auch durch zwei Kopfverletzungen beschleunigt worden war - eine im Gefecht erlitten, die andere Folge eines Sprengstoffanschlags. Möglicherweise kapierte er deshalb lange nicht, was Jegor von ihm wollte. Erst als der Name von Hauptmann Warchola fiel, begriff er jäh und sagte: »Fahren wir.« Und dann, als sie bereits eine halbe Stunde unterwegs waren, fügte er hinzu: »Ich bring Sie hin.« Sonst redete er nicht, antwortete auf Fragen nur mit einem widerwilligen Lächeln, hin und wieder tönte aus seinem Bart, der etwas von einer Tscherkessenmütze und einer Burka hatte, undeutlich eine flotte arabische Melodie.
    Die Straße war schlechter als in Moskau, aber besser als üblich. Sie kamen ungehindert voran und wurden nur einmal von einer Horde Wahhabiten-Biker überholt und ein wenig beschossen; ihnen kamen Schützenpanzerwagen nicht identifizierbarer Truppen entgegen, allerdings nicht oft, häufiger hingegen unerschrockene, hochmütige Kühe, die nichts und niemandem wichen. Eine der Biker-Kugeln hatte Struzkis Ohr gestreift, und er klatschte mechanisch ein Pflaster aus seiner Tasche darauf, als erschlage er eine Stechfliege. »Sind Sie okay?«, fragte Jegor. Struzki lächelte widerwillig. Um die Reisezeit zu verkürzen, erzählte Jegor ihm eine auf die Schnelle ausgedachte Geschichte, obwohl Struzki nicht darum gebeten hatte.
    »Sawin ist Ingenieur. Er hat eine hübsche Frau. Sie ist auch Ingenieur. Hübsch, aber mehr nicht. Nicht mein Typ. Sawin war mein Freund. Wir haben zusammen studiert. Jetzt werde ich gefragt, warum wir nicht mehr befreundet sind. Ich will es erklären.
    Eines Samstags ging ich, wie so oft, zu Sawins, eine Flasche Wodka unterm Arm. Sie haben eine Einzimmerwohnung. Als Junggeselle vermutlich zu lebenslänglicher Wohnhaft in einer Gemeinschaftswohnung verurteilt, besuche ich gern verheiratete Freunde mit eigener Wohnung.
    Es war ein ganz normaler Abend, ruhig und gemütlich. Wir aßen irgendwas und tranken. Sawin schimpfte träge auf die Demokraten, die er manchmal abgekürzt Juden nannte. Ich widersprach träge.
    Dann boten sie mir an, bei ihnen zu übernachten. Das tat ich häufig. Ich schlief in der Küche auf dem Fußboden, auf alten Decken.
    Sawin weckte mich. Er stellte den Wasserkessel auf den Herd. Machte furchtbaren Krach. Ich kam gar

Weitere Kostenlose Bücher