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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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lauschte in die Kopfhörer. Er nickte zufrieden. »Sie erwarten dich. Folge dem Pfad. Dort triffst du sie. Gleich hinter dem Elbrus.« So viel Russisch hatte er lange nicht gesprochen. Nach jedem Wort machte er eine Pause, um sich über sich selbst zu wundern. Mit einem Fußtritt beförderte er das fragile Funkgerät in den Koffer zurück, warf ihn auf den Rücksitz, wobei die Aufschrift »Ministerium für mittleren Maschinenbau« aufblitzte, und sprang in den Jeep. »Du solltest nicht. Dahin gehen«, sagte er plötzlich ganz deutlich, wunderte sich selbst darüber und fuhr Hals über Kopf davon.
     

40
    Jegor ging los, und er wusste, dass ihn Unheil erwartete. Er fragte sich nicht mehr, ob seine Unruhe berechtigt oder ein Phantom war. Er wusste ganz sicher, dass irgendwer bereits eine raffinierte, faszinierende Hinrichtung für ihn bereithielt, dass er bereits im Netz saß, dass sie bereits begonnen hatte. Er fragte sich nicht mehr, ob Plaksa diese fatalen Mühen wert war oder nicht, er wusste, dass sie es nicht war. Dennoch ging er weiter, wie der Krieg weitergeht, auch wenn man längst vergessen hat, warum er begonnen wurde, und ihn nur noch aus Schicksalsergebenheit und Starrsinn weiterführt.
    Der Elbrus versuchte mehrfach, ihn abzuschütteln, mal in eine nicht sehr tiefe Schlucht, mal in einen losen Geröllhaufen, mal in einen eiskalten Bach mit klarstem Wasser, wie das in seiner Quelle vor langer Zeit war. Einmal fiel ihm die Tasche mit dem Geld aus der Hand und rollte abwärts, und er musste im dichten, stachligen Gestrüpp lange nach ihr suchen. Er lief, bis es dunkel wurde, lief in der Dunkelheit weiter, kam an, als der Morgen dämmerte, und wurde auf der anderen Seite des Berges von drei in Patronengurte gehüllten kurzbeinigen und langhaarigen Dickwänsten empfangen.
    »Chasarien ist der Name des Friedens«, grüßte Jegor, wie Struzki es ihm beigebracht hatte.
    »Die Kraft des Friedens ist der Khagan«, erwiderten die Dicken. »Urus Jegor?«
    »Ja.«
    »Du will >Kafkas Picktschurs< sucht?« »Ja.«
    »Gib Geld.«
    Jegor reichte ihnen die Tasche. Die Dicken zählten der Reihe nach das Geld. Dann zog einer von ihnen aus dem Patronengurt an der Hüfte einen Packen Formulare und füllte sie elend lange mit einem Parker-Stummel aus, während seine Kollegen den abgerissenen Jegor musterten und sich in der Sprache unterhielten, in der auch Struzki in das Funkgerät gebrüllt hatte - offenbar Chasarisch.
    Als die Formulare ausgefüllt waren, unterschrieben die Dicken der Reihe nach und riefen: »Bilion manat!« Schließlich war die langwierige bürokratische Prozedur erledigt, die verlangte Summe verbucht, und die Chasaren führten Jegor hinter einen Felsvorsprung, wo auf einer kleinen steinigen Wiese im frischen Licht der Morgensonne ein vergoldeter MI 8 leuchtete. Jegor wurden die Augen verbunden, sie stiegen in den Hubschrauber und flogen los.
    Sie landeten, nahmen ihm die Augenbinde ab und befanden sich in einem großen Dorf, das sich längs einer sehr schmalen, sehr tiefen und darum recht dunklen Schlucht erstreckte. Hoch oben, wo der Himmel sein musste, spaltete ein gewundener Riss die Bergeshöhen und verströmte kaltes Azur. Unten zwischen den Häusern aus roten und weißen Ziegeln schlängelte sich, das Muster des Risses wiederholend, ein reißender Fluss. Ohne einem Menschen zu begegnen, liefen sie über die weißen Steine, die einen natürlichen Fußweg bildeten.
    »Wo sind alle?«, fragte Jegor.
    »Krieg«, antwortete einer der Chasaren.
    »Immer Krieg«, grinste ein anderer. »Mann Krieg. Frau Keller.« »Wo sind die Kinder?« »Wo Frau.«
    An einem der Häuser leuchtete in der Morgendämmerung auf einem schief unters Dach genagelten Blechschild die Neonschrift »McSchaschlik«. Das Restaurant war vollkommen leer, nur ein riesiger Schäferhund und eine fette Fliege, zornig wie ein Falke, jagten einander, wobei Stühle und Tische durch die Gegend flogen.
    Der dickste der drei Dicken brüllte sie an, und sie gaben Ruhe. Sie durchquerten den Saal, öffneten die klebrige Tür zur Küche. Dort standen Frauen in zerschlissenen Schürzen über kochenden Kesseln und rauchenden Grills und bereiteten betäubend riechendes Essen zu. Der Dickste brüllte sie kurz an, und sie verschwanden. Im schweren Dunst, der nur von einer schwachen Wandlampe ein wenig erleuchtet wurde, in dem höllischen Nebel aus Rauch und Dampf, dem Geruch nach Knoblauch und angebrannten Zwiebeln war nichts zu erkennen.
    »Khagan, he,

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