Nahe Null: [gangsta Fiction]
sich davon überzeugt hatten, dass es auch hier nichts zu teilen gab, wurden sie wieder Freunde, nun enger denn je. Später gab es Gerüchte, aus ihrer Freundschaft sei Größeres erwachsen, mit einer Männerfreundschaft kann ja allerhand passieren, wenn nicht rechtzeitig Frauen eingreifen, warum also nicht. Und als die Natschalniks von ihrer ungeheuren und unerhörten Nähe hörten, waren sie gerührt, legten die gegen die unzertrennlichen Freunde eingeleiteten Verfahren zusammen und festigten auf diese Weise, soweit es möglich war und die nicht eben toleranten Sitten des Untersuchungsgefängnisses und der Epoche es erlaubten, den Bund der beiden Herzen.
Doch nicht alle Biographien gipfelten in einem so erbaulichen Happy End. Sergei'tsch zum Beispiel lechzte nach der Liebe einer achtzehnjährigen Freundin seiner Nichte und verließ aus diesem Anlass seine zweite Frau und seine drei Mätressen (die eine unterhielt er an seinem Wohnort in der Gouvernementstadt N., die zweite versteckt in einem entlegenen Kreis, wo er zu Jagd- und Angelzwecken weilte, bei der dritten übernachtete er, wenn er nach Moskau kam, um bei föderalen Würdenträgern Haushaltsmittel zu schnorren), tauschte diese drei wunderbaren schweineähnlichen Mädchen, die von üppiger Leibesfülle, herzensguter Gesinnung und nüchternem Betragen waren, gegen etwas Unberechenbares und stürzte sich Hals über kahlen Kopf in eine kapitalintensive, laute und überaus anstrengende Ehe mit der stürmischen Jungstute. In dem ihm anvertrauten Gouvernement traf man ihn nun seltener, häufiger dafür auf Ibiza und auf der Avenue Montaigne. Die zänkische dritte Ehefrau wollte von ehelichen Pflichten nichts wissen, ließ ihn nur für bare Euro ran, und zwar in einer Höhe, dass es vernünftiger gewesen wäre, sich einen Lamborghini zu kaufen, kräftig auf die Tube zu drücken, mit Vollgas loszurasen und davonzujagen, so weit es ging. Doch Sergei'tsch war erschlafft, er spürte - dies war seine letzte Liebe, und an Gott glaubte er nicht. Er konnte sich also nur trösten, indem er das Verlangte fast ohne Feilschen zahlte und so seine fleischlichen Regungen immerhin befriedigt wurden. Seine dritte Frau sprach zu ihm in bemerkenswerter Offenheit, er rieche wie ein Großvater und er habe überall Falten, an allen möglichen und unmöglichen Stellen, er esse ekelerregend und sein Lachen klinge wie Niesen. Seine Geburtstagstorte müsse XXL sein, damit alle Kerzen draufpassten. Der so verhöhnte Sergei'tsch rannte von Schönheitschirurgen zu Yogatrainern zu Diätärzten. Er überschüttete seine Frau mit zahllosen Geschenken, doch auch unter den Bergen von Autos, Weinen, Kleidern, Gemälden, Häusern, Reisen und Liebhabern verstummten ihr Spott und ihre Vorwürfe nicht; und weder sein klägliches Blöken noch der Lärm teurer Partys oder Berge von Geldscheinen konnten sie übertönen. Die Ausgaben stiegen, das geliebte Chemiekombinat wurde verpfändet, die Gouvernementskasse geplündert, die örtlicher Kaufmänner ausgenommen, die Gemeinschaftskasse der Diebe um Christi willen um ein Darlehen angefleht. Für die Poesie blieb absolut kein Geld mehr, alles ging für den Kauf von Zärtlichkeiten drauf. So verlor Jegor einen seiner wichtigsten Kunden.
Zur selben Zeit ließ auch Ktitor Jegor im Stich - er hatte zu lange betrunken in der Sauna geschmort und nach einem Schlaganfall die abgelaufenen Hufe hochgerissen und den großen Löffel abgegeben. Sein komplettes Schlachtgeschäft übernahm Abakum, und der bekam von Literatur Gähnkrämpfe und Magenpoltern, sinnlos also, ihm Erzählungen oder Poeme anzubieten.
Auch Pawel Jewgenjewitsch rief merkwürdigerweise nicht mehr an, und Don und Donbassjuk wurden nicht wieder in die Duma gewählt.
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Zu allem Unglück kam auch noch die Wirtschaftskrise, die bunte amerikanische Papier-Seifenblase war geplatzt, die Neureichen aller Länder standen vor ihren Fetzen und rissen wie die dummen Jahrmarktsgaffer das Maul auf angesichts des traurigen nassen Flecks, wo gestern noch die von der hochmütigen Wall Street in den Himmel gebauten babylonischen Türme gestanden hatten. Auch unsere Elite, aufgepumpt mit geborgtem Hochmut, Silikon und gerafften Milliarden, platzte, erschlaffte und welkte einmütig dahin. Die Models wurden hässlicher, die Sponsoren blass, ihre Häuser verfielen, ihre Aktiva und ihre Wagen setzten Rost an. Der Konsum verfiel, das Volk konnte sich die simpelsten Trüffeln nicht mehr leisten, verzichtete auf das
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