Nahkampf der Giganten
hinweg in die Augen. »Ich soll Ihnen den Rücken stärken, Ihnen bestätigen, daß Ihre Maßnahme richtig ist.« Er wandte sich ab, denn von Dashs Unsicherheit und der Grausamkeit seiner eigenen Worte wurde ihm fast übel.
»Das will ich nicht bestreiten«, erwiderte Dash schweratmend.
»Ich war immer ein Mann, der Befehle ausführt. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, dafür reicht’s bei mir. Aber in einer solchen Situation bin ich verloren, so wahr mir Gott helfe!« Er senkte den Blick auf die Karte.
»Na schön.« Bolitho hätte gern den Schmerz gelindert, den er diesem Mann zugefügt hatte; doch die Zeit drängte. Es war überhaupt keine Zeit mehr. »Ich rede mit Pomfret. Inzwischen berufen Sie eine Lagebesprechung ein.« Er bemühte sich, seine Bitterkeit zu überwinden. »Bitten Sie alle Offiziere hier in dieses Zimmer. In einer Stunde – können Sie das schaffen? Und holen Sie auch Labouret dazu, den Bürgermeister. «
»Sind Sie sich auch klar, daß… Und wenn jetzt etwas schiefgeht, Bolitho?« murmelte Dash.
»Dann müssen Sie den Kopf hinhalten, Dash. Und ich genauso – aber das wird Ihnen kein Trost sein.«
Er schritt zur Tür und sagte abschließend: »Eins jedoch ist ganz sicher, Captain Dash. Wenn Sie hier sitzenbleiben und nichts tun, werden Sie Ihr Gesicht nie wieder im Spiegel sehen können. Denn das würde bedeuten, daß Sie der Verantwortung, nach der Sie Ihr Leben lang gestrebt haben, nicht gewachsen waren. Daß Sie das eine Mal, als es wirklich darauf ankam, versagten.«
Damit wandte er sich ab und trat hinaus. »Mr. Inch«, befahl er kurz, »melden Sie sich bei Captain Dash. Er wird Ordonnanzen brauchen. Kümmern Sie sich sofort darum!«
Sodann eilte er die geschwungene Treppe hinauf. Oben stand ein Marine-Infanterist vor einer Tür Posten. Drinnen im Zimmer war es stockdunkel; und während Bolitho sich zum Fenster tastete, rollte etwas unter seinem Fuß weg und klirrte gegen die Wand. Aber seine Nase hatte ihm schon verraten, was es mit Pomfrets Krankheit auf sich hatte. Als er die Vorhänge aufzog und sich im Zimmer umsah, stieg Übelkeit in ihm hoch.
Pomfret lag, Arme und Beine von sich gestreckt, auf dem breiten Bett. Sein Mund stand weit offen, sein Atem ging schwer und mühsam. Um das Bett herum und überall auf dem prächtigen Teppich lagen leere Flaschen, zerbrochene Gläser, allerlei Kleidungsstücke, Möbel, die so aussahen, als hätte sie der Admiral mit bloßen Händen zertrümmert.
Bolitho biß die Zähne zusammen und beugte sich über das Bett. Pomfrets unrasiertes Gesicht war wächsern und verschwitzt. Auf der Bettdecke lag Erbrochenes, und der ganze Raum stank wie eine üble Spelunke. Er faßte Pomfret bei der Schulter und schüttelte ihn; es war ihm völlig egal, wie der Admiral darauf reagierte. Doch er schien einen Leichnam zu schütteln. »Wachen Sie auf, verdammt!« Er schüttelte stärker. Pomfret stöhnte dumpf, aber das war auch alles. Dann fiel Bolithos Blick auf ein zerknülltes Stück Papier auf dem Nachttisch. Er sah das wohlbekannte Dienstsiegel, das Wappen über dem sauber geschriebenen Text. Er ging um das Bett herum und machte sich daran, Pomfrets Order aus Toulon zu lesen. Einmal hielt er inne und wandte den Kopf, um in Pomfrets schlaffes Gesicht zu blicken. Jetzt wurde ihm alles klar: Herricks Beme rkung, daß Pomfret hier seine letzte Bewährungschance bekommen hatte. Die Verbissenheit, mit der er von St. Clar aus den Sieg über Frankreich erzwingen wollte. Und hätte er Hilfe und die versprochenen Verstärkungen bekommen, wäre ihm das vielleicht sogar geglückt – ein trauriger Gedanke.
Bolitho las weiter; und mit jeder Zeile begriff er mehr, wuchs seine Verzweiflung. Niemals war wirklich beabsichtigt gewesen, St. Clar länger zu halten als nötig, um den Feind von Toulon abzulenken. Pomfret hatte die Kastanien aus dem Feuer holen sollen, weiter nichts. Wäre die Invasion von Toulon aus erfolgreich gewesen – nun ja. Aber wie die Dinge lagen, blieb Lord Hood jetzt keine Zeit mehr für Pomfrets Sorgen – er hatte seine eigenen. Die Order enthielt genaue Anweisungen für die Zerstörung der Hafeneinrichtungen vor der Räumung; doch Bolitho blieb an dem letzten Teil des Textes hängen – sein Herz erstarrte bei dem eiskalten Satz: »In Anbetracht des beschränkten Schiffsraums und der Nähe der feindlichen Streitkräfte ist keinerlei Evakuierung von Zivilisten möglich.«
Bolitho starrte auf die säuberliche Schrift, bis sie vor
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