Nahkampf der Giganten
haben soll, die er in Verwahrung hatte…«
Bolitho hob die Hand. »Warum hat man mir das nicht gesagt?« Gossett sah verlegen zur Seite. »Wir alle wußten doch, er würde nie was von seinem eigenen Schiff klauen, Sir. Nich’ wie manche andere, die ich auch nennen könnte. Er hatte vor, die Sache mit Cap’n Turner durchzusprechen und Klarheit zu schaffen. Hat mir sogar erzählt, daß Cap’n Turner wußte, wer das Geld wirklich geklaut hat.«
Ruhig erwiderte Bolitho: »Aber Captain Turner starb an Herzschlag.« Er dachte an den Ausbruch Rowlstones bei der ersten Dienstbesprechung und an die aggressive Art, mit der Rooke dem Doktor über den Mund gefahren war.
Verlegen erwiderte Gossett: »Tut mir leid, daß ich’s Ihnen nicht gesagt habe, Sir, nach allem, was Sie für das Schiff getan haben. Aber ich hatte das Gefühl, daß ich ihm das schuldig war, wissen Sie.«
»Ja, verstehe.« Bolitho legte die Hand flach auf den unvollendeten Bericht. »Aber das ist keine Entschuldigung, Mr. Gossett. Ihre Loyalität schulden Sie dem Schiff, nicht einem einzelnen. Trotzdem danke, daß Sie es mir erzählt haben. Ich hätte es wohl auch so gemacht.« Er fügte hinzu: »Das bleibt aber unter uns, Mr. Gossett.«
Heftig nickte der Steuermann. »Bleibt es, Sir.«
Noch lange, nachdem Gossett gegangen war, saß Bolitho reglos am Fenster. Dann trat er an den Tisch, nahm die Feder auf und schrieb rasch den Schluß des Berichts: »…jener tapfere Offizier, der, wie oben erwähnt, das Schiff unter ständigem feindlichen Feuer mit großer Kühnheit und unter Hintansetzung seiner persönlichen Sicherheit geführt hat, nahm sich später unter tragischen Umständen das Leben. Er war meiner Überzeugung nach ein kranker Mann, der sich, hätte er nicht seine Gesundheit dem Wohle des Schiffes geopfert, einen Platz in der Kriegsmarine errungen hätte, an dem sein Name noch lange in Erinnerung geblieben wäre.« Er unterschrieb den Bericht und starrte minutenlang darauf nieder.
Es ist wenig genug, dachte er bitter, und nützt Quarme gar nichts.
Aber in England würde es denen, die Quarme noch als den Mann gekannt hatten, den Gossett vor Unheil zu schützen versucht hatte, ein gewisser Trost sein.
Dennoch wußte Bolitho mit Sicherheit: Wenn Unheil angriff, dann meist von innen her. Und dagegen gab es keine Verteidigung.
Ein edler Ritter
Nur unter Marssegeln und Fock fuhr die
Hyperion
eine Halse und nahm dann endgültig Kurs auf die Hafeneinfahrt. Auf dem Oberdeck und den Decksgängen trieben sich Matrosen der Freiwache herum und starrten beinahe ehrfürchtig auf die Szenerie, die sie jenseits der Festung und des kahlen Vorgebirges grüßte. Bolitho hob sein Teleskop und schwenkte es langsam von einer Seite zur anderen. Kaum zu glauben, daß es die gleiche leere Ankerstelle war, die er am Tag vorher verlassen hatte. Als der Ausguck gemeldet hatte, daß er hinter den Klippen Mastspitzen ausmachen könne, hatte Bolitho das für eine von Hoods Versorgungsschiffen oder allenfalls für eine Fregatte mit Depeschen und neuer Segelorder gehalten. Doch als das Schiff langsam auf die buckligen Hügel zuglitt, wurde ihm klar, daß es sich um ganz etwas anderes handelte.
In der Mitte des Naturhafens lag ein hochbordiger Dreidecker vor Anker, an dessen Hauptmast ein Konteradmiralswimpel schlaff herabhing. Jenseits dieses Schiffes, nahe an der Pier, ungefähr dort, wo die Karronade die französischen Soldaten dezimiert hatte, lag noch ein großes Fahrzeug, seinem Bau nach ein Versorgungsschiff. Im flacheren Wasser östlich davon ankerte eine kleine Schaluppe, die er sofort als die
Chanticleer
erkannte. Die spanische
Princesa
lag noch an derselben Stelle wie am Vortag; aber noch eindrucksvoller als die Schiffe selbst war die Geschäftigkeit an Bord und der Betrieb im Hafen.
Um die Schiffe herum sowie zwischen ihnen und der Pier verkehrten Boote jeder Form und Größe: Kutter, Gigs, Barkassen und Jollen in unübersehbarer Zahl; und als Bolithos Glas den Abhang erfaßte, sah er ein großes, rechteckiges Zeltlager, an dessen vereinzelten Lagerfeuern sich winzige, scharlachrote Gestalten zu schaffen machten. Anscheinend war jetzt auch britische Infanterie auf der Insel.
Zusammenfahrend merkte er, daß die
Hyperion
schon die schützenden Arme der Einfahrt passiert hatte; doch Rooke stand, wie er mit einem raschen Blick feststellte, immer noch steif an der Ac hterdeckreling, die Sprechtrompete wie bei der Parade unterm Arm.
»Halsen Sie gefälligst!«
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