Naked - Hemmungslose Spiele (German Edition)
Leben spielte, gehasst. Nicht so Teddy. Ich hatte überhaupt noch nie erlebt, dass Teddy irgendwas hasste. Er war ein unverbesserlicher Optimist – wenn das Leben ihm eine Zitrone gab, fragte er nach Salz und Tequila.
„Ja, ich bleibe noch ein bisschen. Aber heute Abend muss ich nach Hause.“
Er lachte. „Du solltest einfach wieder hier raufziehen, Liv. Dann hättest du nicht so einen weiten Weg.“
Ich verdrehte die Augen. „Du bist schon genauso schlimm wie er. Himmel, Arsch und Zwirn, Annville ist nur eine halbe Stunde entfernt.“
Teddy hatte sein ganzes Leben in Central Pennsylvania verbracht. Für die Leute hier betrat man schon eine völlig neue Welt, wenn man es wagte, den Susquehanna River zu überqueren. Teddy schmunzelte. „Aber es ist Annville.“
„Ach was.“ Ich winkte ab. „Ich geh jetzt duschen. Hab gehört, gleich gibt’s Pfannkuchen.“
Teddy rieb sich den Bauch. „Lecker. Ich nehme an, die macht unser Gast und nicht unser geliebter Patrick.“
Patrick kochte nie. „Stimmt. Ach so, Teddy …“ Ich zögerte und lehnte mich gegen den Rahmen der Tür, die zu meinem Zimmer führte. „Was ist eigentlich mit ihm los?“
„Mit Alex?“
„Ja.“
Teddy zuckte mit den Schultern. Sein Lächeln wirkte etwas gequält. „Er ist mit Patrick befreundet und brauchte wohl gerade einen Platz zum Pennen. Er bleibt noch ein paar Tage. Netter Kerl.“
Die drei Sätze hingen etwas unbehaglich zwischen uns, denn sie berührten ein heikles Thema, das weder er noch ich so recht anpacken wollten: Warum um alles in der Welt glaubte Patrick immer noch, er hätte das Recht, sich mit meinem (nicht vorhandenen)Liebesleben zu beschäftigen? Schließlich zuckte ich mit den Schultern. Manchmal musste man Fragen, auf die man keine Antwort wusste, einfach beiseiteschieben.
„Ich brauch eine Dusche“, sagte ich, und Teddy ließ mich allein.
Fünfundvierzig Minuten später war mein Magen mit Pfannkuchen, Putenschinken und gutem starkem Kaffee gefüllt, und ich versuchte Alex bei Dance Dance Revolution verheerend zu schlagen. Ich hatte Teddy besiegt und war mit Patrick auf Augenhöhe, aber bei Alex scheiterte ich ziemlich kläglich – er war echt ein Superstar.
„Meine Füße rutschen immer auf der Tanzmatte aus“, beschwerte ich mich und schnappte nach Luft.
„Ich kann auch einen höheren Schwierigkeitsgrad spielen“, schlug Alex vor. Seine Augen blitzten vergnügt. Er schien wirklich sehr mit sich zufrieden zu sein. „Du kannst ja weiter auf der Anfängerstufe spielen.“
So ein verführerisches Angebot konnte ich unmöglich ablehnen. „Du bist dran.“
„Hätte ich euch doch nie damit anfangen lassen.“ Patrick hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und las ein dickes Taschenbuch.
Die liebevoll amüsierte Bemerkung ließ mich aufblicken. Alex änderte gerade mit der Wii-Fernbedienung die Einstellungen. Patrick, der fast unter einer kuscheligen Decke verschwand, war längst wieder in seine Lektüre vertieft. Teddy war verschwunden. Vermutlich spielte er oben am Computer Die Sims . Und Alex und ich spielten DDR . Kurz, wir waren der Inbegriff fauler Sonntagsfreuden. Warum also fühlte es sich plötzlich so … falsch an?
„Olivia?“
Ich schenkte Alex ein strahlendes Lächeln, war mir aber nicht sicher, ob es echt wirkte. „Ja, ich bin so weit.“
Er legte den Kopf ganz leicht zur Seite. „Willst du lieber eine Pause machen?“
Patrick entging die Sorge in Alex’ Stimme nicht, denn er schaute von seinem Schmöker auf. „Was ist los?“
„Ach nichts.“ Ich winkte ab. „Zu viele Pfannkuchen. Los jetzt!“
Alex hatte sich zwischendurch umgezogen. Statt der Hello-Kitty-Pyjamahose trug er jetzt ausgebleichte Jeans und ein Langarmshirt. Seine Füße waren immer noch nackt. Er tippte einen Fuß auf die Tanzmatte, spielte den nächsten Song aber noch nicht an. Sein Blick ging von Patrick zu mir.
„Also gut, wenn du meinst“, sagte er zögernd.
„Klar.“
Obwohl er den höheren Schwierigkeitsgrad hatte, konnte ich ihn auch im zweiten Durchgang nicht schlagen. Die plötzliche und völlig unerwartete Melancholie, die wie eine Welle über mir zusammenschlug, lenkte mich ab. Und da war noch etwas, das ich nicht genau benennen konnte. Meine Runde ging jedenfalls total daneben.
„Ich glaube, du lässt mich gewinnen“, rief Alex.
„Olivia lässt nie jemanden gewinnen“, spöttelte Patrick vom Sofa aus. „Nimm deinen Sieg hin und genieß ihn.“
Ich funkelte ihn böse an.
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