Namibia
die Umbrüche in den beiden Ländern, mit denen sie verbunden waren: In Namibia fanden im November 1989 die ersten freien Wahlen statt, am 21. März 1990 wurde das Land unabhängig; im November 1989 fiel die Berliner Mauer, die beiden deutschen Staaten verhandelten über die Wiedervereinigung, der Ostblock brach zusammen. Die namibische Regierung beschloss, die Kinder im August 1990 nach Namibia zurückzuholen.
Der Neubeginn war für die Kinder und Jugendlichen hektisch, chaotisch und eine Zeit großer Ungewissheit. Wer in feste, wohlhabende Familiengefüge (in eigene oder Gastfamilien) in Windhoeks reichere Stadtviertel kam, hatte Glück; wer nach Katutura (Windhoeks Viertel der unteren Einkommensschicht) zog, hatte es schwerer, und wer nach Norden in die Dörfer der Familien ging, hatte das Gefühl, die Zeit habe sich ein oder zwei Jahrhunderte zurückgedreht.
Die Kinder und Jugendlichen waren nicht auf das Leben in Namibia und ihren Platz, ihre Identität dort vorbereitet. Sie haben den schwersten Stand, der sich denken lässt: Sie sind Deutsche, mit der deutschen Kultur und Sprache aufgewachsen. In Namibia selbst werden sie von den dortigen Deutschen jedoch aufgrund ihrer Hautfarbe nicht als ihresgleichen angesehen. Von den Schwarzen werden sie auf der anderen Seite ebenfalls nicht als gleichwertig anerkannt, da sie die jeweilige Stammessprache nicht immerperfekt beherrschen, die Bräuche nur bedingt kennen und eben doch in einer ganz anderen Kultur groß geworden sind.
Das resultierte bei vielen Kindern und Jugendlichen in einer großen Identitätskrise. Während die erste Gruppe ziemlich lange in der DDR weilte, dadurch einige Jahre stabil aufwuchs und so gefestigter war, sind es besonders die Kinder, die später (und dadurch nur für kurze Zeit) in die DDR kamen, die heute große Probleme haben. Die Aufmerksamkeit, die ihnen aufgrund ihrer Vergangenheit zuteil wurde, bekam nicht jedem von ihnen gut; zu leicht wurden sie in eine Opferrolle gedrängt, aus der sie nur schwer wieder herauskamen. Drogen und Alkohol sind leider verbreitet, große psychische Instabilität ist bei vielen bis heute die Folge.
Deutschland war und ist der größte Geldgeber, finanzierte über Kirchen und NGOs die Schule, die dazugehörige Ausrüstung und Transportkosten für die Kinder, später übernahm TUCSIN (The University Centre for Studies in Namibia) die Betreuung.
Die meisten der inzwischen erwachsenen „DDR-Kinder“ leben und arbeiten heute in Namibia, viele sind im Tourismus tätig, hat dieser doch große Entwicklungsmöglichkeiten, außerdem kommt ihnen ihr Deutsch dort besonders zugute. Ein Teil ist zurück nach Deutschland gegangen.
Es ist zu wünschen, dass die „DDR-Kinder“ sich ihrer einzigartigen Möglichkeiten mehr bewusst werden. Als Botschafter zwischen zwei Kulturen und Welten hätten sie einiges zu tun.
Ein von allen Seiten (auch von den DDR-Kindern selbst) anerkanntes Buch hierzu ist
Die DDR-Kinder von Namibia – Heimkehr in ein fremdes Land
von Constance Kenna, Klaus Hess Verlag. Es ist leider zurzeit vergriffen; in den Buchläden sind mitunter noch englische Exemplare zu finden.
Noch erhältlich ist die Autobiografie von Lucia Engombe,
Kind Nr. 95, Meine deutsch-afrikanische Odyssee
, in der sie sehr offen, anrührend und herausfordernd die Geschichte der „DDR-Kinder“ aus eigenem Erleben heraus beschreibt. Das Buch gibt außerdem einen Einblick in das heutige, pulsierende Namibia – wirklich eine empfehlenswerte Lektüre.
Geschichte
Die namibische Archäologie steckt noch in den Anfängen, daher ist es bislang kaum möglich, Namibias Urgeschichte umfassend zu beschreiben.
Die Geschichte der vorkolonialen Ära Namibias existiert nur in mündlich überlieferter Form. Dabei hat jeder Stamm seine eigenen Überlieferungen und seine eigene, lange Geschichte. Die wenigen historischen Schriftstücke aus dieser Zeit sind widersprüchlich und aus europäischer Sicht geschrieben.
Die koloniale Geschichtsschreibung ist, vor allem in der deutschen Zeit, sehr ausführlich, jedoch werden vordergründig die Interessen der Weißen thematisiert. Die Geschichte der namibischen Völker findet darin kaum Beachtung – wenn überhaupt, werden die Afrikaner als „Objekte“ dargestellt, selten als Mitgestalter namibischer Geschichte. Erst nach der Unabhängigkeit begann man, die Geschichtsschreibung entsprechend zu erweitern und teilweise zu korrigieren.
Frühzeit und vorkoloniale Ära
Der etwa 12 Mill. Jahre
Weitere Kostenlose Bücher