Namibische Nächte (German Edition)
Hand, und kamen auf ihn zu.
Mit einem Arm wies Ditus auf mehrere Erhebungen in einiger Entfernung, die wie graue Felsen aussahen.
Kian nickte. Den Nashörnern ging es gut.
»Es waren Damara«, sagte Ayubu mit angewidertem Gesichtsausdruck. Der Stamm der Damara wurde von den Hereros verachtet. »Und ein Weißer.«
»Hast du ihn erkannt?«
»Nein.« Ayubu schüttelte den Kopf. »Er war zu weit weg. Wir haben auf ihn geschossen, das hat ihn vertrieben.«
Kians helle Augen suchten den Horizont ab. Man wusste nie, wo sich diese Wilderer versteckten. Schon eine Sandverwehung reichte aus. »Ihr bleibt hier«, befahl er den Männern. Er ging zum Wagen, holte eine Kiste heraus und gab sie ihnen. »Munition. Spart nicht damit, wenn sie wiederkommen.«
Als Kian zur Farm zurückkehrte, sah er Vanessa vor dem Haus den Hof überqueren. Sein Puls beschleunigte sich, wie er das immer tat, wenn Kian Vanessa sah.
Was für eine unerwartete Überraschung es gewesen war, Vanessa plötzlich in der Rezeption stehen zu sehen. Er hatte sie nicht auf den ersten Blick erkannt. Ihre Haare waren kürzer, und sie sah etwas anders aus, als er sie in Erinnerung hatte.
Zu Beginn hatte er Vanessa gar nicht beachtet, weil es mehr als einmal geschehen war, dass er in einer Frau Vanessa wiederzuerkennen glaubte, aber es war nie Vanessa gewesen. Es war Einbildung.
Lange Zeit hatte er immer wieder an Vanessa gedacht, die letzte Szene zwischen ihnen durchgespielt, in der Vanessa ihm gezeigt hatte, dass sie nie zusammengehören konnten. Ihre Welten waren zu verschieden. Sie beide waren zu verschieden.
Beim letzten Mal, als er geglaubt hatte, eine der Touristinnen wäre Vanessa, hatte er sich vorgenommen, diese Illusion endlich aufzugeben.
Vanessa hatte Afrika nie als eine mögliche Heimat betrachtet. Es war ihr unvorstellbar erschienen, dass man überhaupt dort leben konnte. Wie verwundert hatte sie all seine Erzählungen zur Kenntnis genommen, in denen er ihr klarzumachen versuchte, dass Namibia keine von schwarzen Kriegern im Lendenschurz bevölkerte Wüste war, sondern ein Land, das sogar vieles bot, was man von Deutschland her kannte.
Vanessas Vorstellung von Afrika war immer von dem geprägt gewesen, was sie im Fernsehen gesehen hatte. Ein Leben in der Wildnis, ein Leben ohne Komfort, nicht mal dem einfachsten: Dusche und Toilette.
»Du bist nicht in einem zivilisierten Land aufgewachsen.« Wie oft hatte er das gehört? Immer, wenn Vanessa ihm klarmachen wollte, dass er nicht verstand, wie es in Deutschland zuging.
Nur wenn Isolde kam, konnte er so über Namibia sprechen, wie er es sich wünschte. Isolde war die Verbindung zur Heimat, die Vanessa nie sein konnte.
Vanessa war stehengeblieben, als ob sie plötzlich ihren Weg verloren hätte. Sie schien umkehren zu wollen. Vielleicht hatte sie etwas in ihrem Rondavel vergessen.
Dann jedoch ging ein Ruck durch ihren Körper, und sie kam auf ihn zu. Er spürte, wie sein Herz sich in der Brust mehr Platz zu verschaffen suchte. Allein schon ihr Gang, die schlanken Hüften, die doch so weiblich geformt waren, erinnerte ihn an früher. Er hätte sie in der größten Menschenmenge erkannt, nur an ihren Bewegungen. Wie eine Antilope.
Sie blieb etwa einen Meter von ihm entfernt stehen. Es war eindeutig, dass sie ihm nicht zu nahe kommen wollte. »Ich würde gern mit dir sprechen. Wegen gestern Nacht.« Ihr Gesichtsausdruck wirkte kühl, wie so oft. Er wusste nie, was sie dachte.
»Schon gut.« Er hob die Hände. Diesmal meinte er bereits zu wissen, was sie ihm sagen wollte. Den Ehering an ihrem Finger hatte er nicht übersehen. Gestern Nacht hatte sie sich zu etwas hinreißen lassen, das ihr heute peinlich war. Was auch immer sie veranlasst hatte, allein in Urlaub zu fahren, sie war verheiratet, und zu Hause wartete ihr Mann auf sie. »Vergiss es. Es war meine Schuld. Sagte ich ja schon. Du musst dir keine Gedanken machen.«
Er versuchte, ihr nichts von dem zu zeigen, was er empfand. Sie sollte sich zu nichts gedrängt fühlen. Selbst wenn sie sich für kurze Zeit von ihrem Mann getrennt hatte, aus welchem Grund auch immer, sie trug immer noch seinen Ring. Sie fühlte sich ihm immer noch verbunden.
Gestern Nacht, das war nur eine Reminiszenz an alte Zeiten gewesen. An den schönen Teil davon.
»Tue ich nicht«, sagte sie, und ihr Gesichtsausdruck wurde noch gleichgültiger. »Ich möchte nur nicht, dass du denkst –«
»Ich denke gar nichts.« Er musste sie unterbrechen, bevor sie
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