Namibische Nächte (German Edition)
Gelegenheit, uns zu waschen vor dem Schlafengehen.«
Kian schaute sie an. »Besser jetzt? Ich glaube nicht, dass hier heute noch ein Löwe vorbeikommt. Und wenn, würde Jock uns wecken. Also mach dir keine Sorgen. Schlaf einfach weiter.« Er verließ das Zelt, und Jock folgte ihm hinaus.
Aber sie war viel zu aufgekratzt, um weiterzuschlafen. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber sie fühlte sich, als wäre sie frisch und erholt. Sie schob die Zeltplanenteile am Reißverschluss auseinander und verließ das Zelt ebenfalls.
Das Feuer brannte noch, und sie ging zu Kian hinüber, der davor hockte und hineinsah. »Wo ist N!xau?«
»Er meinte, er hätte genug geschlafen.« Kian blickte von unten zu ihr auf. »Ich weiß nicht, wo er hin ist. Möglicherweise will er in ein San-Dorf hier in der Nähe, ein Mädchen besuchen.«
»In dieser Dunkelheit?«
Kian lachte leise. »Für ihn ist es nicht so dunkel wie für dich. Er kann sich nachts genauso gut orientieren wie bei hellem Tageslicht.«
Vanessa spreizte ihre Finger und streckte sie zum Feuer aus. Bei der ganzen Aufregung hatte sie es nicht bemerkt, aber nun begann sie zu frieren. »Meine Güte, ist das kalt.« Sie rieb sich die Hände.
Kian griff nach ein paar dürren Ästen und ließ das Feuer wieder auflodern. »Ja, hier draußen spürt man es mehr als auf der Farm, dass die Temperaturen nachts um über zwanzig Grad fallen.«
»Nur zwanzig Grad?« Vanessa schauerte zusammen. »Mir kommt es vor wie unter null.«
»Das gibt es auch, aber nicht jetzt«, sagte Kian, stand auf, nahm eine Decke vom Boden und legte sie Vanessa um die Schultern. »Nur in der Trockenzeit wird es nachts so kalt. Juni, vielleicht auch noch Juli. Im Winter. Jetzt ist schon fast Hochsommer.«
»Ich weiß«, sagte Vanessa. »Einen so warmen November habe ich noch nie erlebt.« Sie zog die Decke um ihre Schultern fester zusammen. Im flirrenden Licht über dem Feuer stoben Holzreste auf, schienen in der Luft zu vergehen, dazwischen schwirrten Insekten. Sie wusste nicht, was für welche, bis sie den Stich spürte und die Mücke aus dem Reflex heraus erschlug. Sie schaute auf den kleinen Blutfleck auf ihrem Arm. »Die schlafen wohl nie.«
»Nein.« Kian schüttelte lächelnd den Kopf. »Solange das Feuer brennt, hoffen sie auf Nahrung.« Er schaute auf ihren Arm. »Schwillt es an? Wir haben eine Mücke hier, von der bekommt man schlimme Beulen, die jucken wie die Hölle.«
»Ich bin nicht gegen Malaria geimpft«, bemerkte Vanessa, plötzlich erschrocken.
»Die übertragen keine Malaria. Dafür ist es hier zu trocken. Wir haben praktisch überhaupt keine Malaria in Namibia. Höchstens ganz oben im Norden, an der Grenze zu Angola, wo der Kunene fließt und es feucht ist.«
»Da bin ich ja beruhigt«, sagte Vanessa. »Ich bin vor lauter Arbeit nicht dazu gekommen, mich vor dem Abflug impfen zu lassen.« Sie erwartete eine seiner abschätzigen Bemerkungen über ihre Arbeitswut, aber er sagte nichts.
Stattdessen stapelte er ein paar dicke Äste übereinander und wies darauf. »Setz dich. Wenn du nicht ins Zelt zurück willst.«
»Im Moment nicht.« Vanessa ging zu dem Holzstoß und setzte sich ans Feuer. Sie starrte eine Weile hinein. »Es ist unglaublich«, sagte sie dann leise, während ihre Augen die aufstiebenden Holzkohleflocken verfolgten. »Diese Schwärze überall und dann dieses Feuer. Da bekommt der Ausdruck Licht in der Dunkelheit eine ganz andere Bedeutung.«
Kian hockte sich neben sie. »Ja. Man kann sich vorstellen, was es damals bedeutet hat, als die Höhlenmenschen das Feuer entdeckten.« Seine Stimme klang so warm, wie sie schon lange nicht mehr geklungen hatte.
Vanessa fühlte das Bedürfnis, näher an ihn heran zu rutschen, seine Wärme zu spüren, aber sie widerstand dem Impuls. »Willst du morgen weiter nach den Wilderern suchen?«, fragte sie.
»Es wäre dumm, jetzt aufzugeben«, antwortete er. »Sie müssen hier irgendwo sein. N!xau sagt, er hat etliche Antilopen ohne Hörner gefunden, ohne Kopf. Den Körper, das Fleisch haben sie liegengelassen. Also waren es keine Leute von hier.«
Vanessa schauderte. Sie hatte noch nie verstanden, warum Menschen Tiere jagten und töteten, aber wenn sie es aus Hunger taten, war es nachvollziehbar. Hier ging es aber nicht um Hunger. »Es ist furchtbar, sich das vorzustellen«, sagte sie.
»Nun ja«, Kian stand auf, »es gibt genügend Abnehmer für das Fleisch. Zuerst kommen die Löwen, vielleicht auch ein Leopard oder
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