Namibische Nächte (German Edition)
boxte ihn hart auf den Arm. »Du bist nicht ganz unschuldig daran, also jetzt mach dich nicht auch noch über mich lustig.«
Seine Hand löste sich vom Lenkrad und legte sich auf ihr Knie. »Das tue ich nicht. Ich hätte wirklich besser aufpassen sollen, als ich losgefahren bin. Dann hättest du das alles jetzt nicht mitmachen müssen.«
»Ich hätte nicht auf deinem Wagen sitzen sollen«, gab sie versöhnlich zu. »Und außerdem . . .«, ihre Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln, »hätte ich dann einiges verpasst, wobei ich ganz gern mitgemacht habe.«
»Tatsächlich?« Er lachte sie an. Seine weißen Zähne blitzten, seine Augen strahlten, als ob sie das hellblaue Himmelsdach in die Fahrerkabine holen wollten, und sein Gesicht sah so braungebrannt aus wie aus einer Urlaubsreklame. Er war ein Bild von einem Mann.
Vanessa schluckte. Wenn ein Foto von Kian sie von einer Werbetafel herunter angeschaut hätte, hätte sie den Kopf geschüttelt und gesagt, so etwas gibt es doch nicht. Das ist alles nicht echt. Dieser volle blonde Haarschopf, diese Muskeln, dieser ganze geschmeidige Körper. Und trotzdem war es wahr. Es war die Wirklichkeit, kein Traumbild aus einer bunten Anzeige. »Tatsächlich«, bestätigte sie. »Und wenn du das nicht gemerkt hast, musst du hirntot sein.«
»Mein Gehirn war nicht das, was die meiste Zeit beteiligt war«, grinste er.
»Idiot.« Sie boxte ihn erneut, aber diesmal so liebevoll, dass es fast nur ein Streicheln war.
»Also bitte . . .«, verteidigte er sich. »Erzähl mir nicht, dass du philosophische Überlegungen gewälzt hast, während du –« Seine Mundwinkel hoben sich zu einem Garfield-Ausdruck. »So sahst du nicht aus.«
»Erstaunlich, was du alles siehst«, entgegnete sie neckend. Es war wie in alten Zeiten, wenn sie geflirtet hatten. Als ob nicht sieben Jahre vergangen wären.
Seine Finger drückten zärtlich ihr Knie. »Du bist –«
Aber sie erfuhr nicht, was sie in seinen Augen war, denn ruckartig zog er seine Hand fort und starrte nach vorn.
N!xau war stehen geblieben. Er sah aus, als hätte etwas seine Aufmerksamkeit erregt.
Kian verringerte die Geschwindigkeit, bis er hinter N!xau zum Stehen kam. Er stieg aus und stellte sich neben ihn.
N!xau streckte den Arm aus. Kian folgte N!xaus Arm mit den Augen und nickte. Sie sprachen nicht, aber es war unmissverständlich, dass sie beide wussten, worum es ging.
Kian kam zum Wagen zurück, nahm das Gewehr und stellte es griffbereit neben sich.
»Was ist los?« Vanessa versuchte, etwas in der Richtung zu erkennen, in die N!xau immer noch schaute. »Ist da was?«
»Wenn wir näher sind, wirst du es auch sehen«, sagte Kian, ließ den Motor an und fuhr schneller als zuvor los. Dennoch konnte N!xau mühelos mit dem Wagen Schritt halten. Immer noch lief er locker über den unebenen Boden.
Kian fuhr ein paar Minuten, dann hielt er an. Er nahm das Gewehr, stieg aus und sprang hinten auf die Ladefläche, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
Nun sah Vanessa es auch. Da war eine Staubwolke am Horizont. Wenn sie auch nicht wusste, was das bedeutete.
N!xau stand ganz ruhig da. Man hätte meinen können, er atmete gar nicht.
Vanessa öffnete die Wagentür.
»Bleib drin!«, kam Kians befehlende Stimme laut von oben. Er stand direkt über dem Fahrerhaus.
Ihr erster Impuls war, ihm zu widersprechen, ihn anzufauchen, was er sich eigentlich einbildete, so mit ihr zu reden, aber dann schloss sie die Wagentür wieder. Die Staubwolke war näher gekommen.
Es dauerte vielleicht fünf Minuten – die Vanessa allerdings wie eine Ewigkeit erschienen –, bis die Staubwolke so nah war, dass man erkennen konnte, was sich darin bewegte.
Es war ein buntes Sammelsurium von Tieren jeder Art. Sie sah Zebras, Antilopen, Gazellen, einige Giraffen und dazwischen eine gefleckte Raubkatze und ein Nashorn – und alle rasten, als wäre der Teufel hinter ihnen her.
»Sie wollen das Rhino!«, rief Kian laut, und im nächsten Moment hörte Vanessa einen lauten Knall über sich. Dann noch einen. Dann zwei fast gleichzeitig, einer nah, einer etwas weiter entfernt, und einen dumpfen Aufprall. Gleich darauf ein Stöhnen.
»Kian!« Vanessa riss die Tür auf und sprang hinaus. Sie dachte gar nicht darüber nach, ob es gefährlich sein könnte, mit all den Tieren, die auf sie zurasten.
Im selben Moment, als sie auf die Ladefläche sprang, war auch N!xau schon da. Er beugte sich über Kian, der blutüberströmt dalag.
Vanessa fühlte,
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