Namibische Nächte (German Edition)
kein Hotel bezahlen.«
»Na, siehst du?« Andrea schien das gut zu finden. »Also kommst du mit mir.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
Vanessa warf einen Blick auf die Glastür, hinter der die Liege mit Kian verschwunden war.
»Es wird alles gutgehen«, sagte Andrea beruhigend. »Kaunadodo ist ein hervorragender Arzt.«
Vanessas Gesicht spiegelte ihre Zweifel wider, aber sie stand auf. »Dann kann ich hier wohl nichts weiter tun.«
»Kannst du nicht.« Andrea drehte sich halb um. »Gehen wir?«
Vanessa nickte.
18
D ie Nacht im Haus von Andrea und Kaunadodo verlief ruhiger, als Vanessa sich das vorgestellt hatte. Sie hätte gedacht, dass sie vor lauter Sorge um Kian immer wieder aufwachen würde, aber als sie einmal in dem bequemen Bett lag, hatte die Erschöpfung ihr stundenlange, traumlose Entspannung geschenkt.
Andrea hatte sie auf der Fahrt zu ihrem Haus ein wenig zu ihrem Aufenthalt in Namibia befragt und dabei erfahren, dass sie Kian von früher kannte. Daraufhin betrachtete sie Vanessa wohl als eine Art Familienmitglied, genauso wie Kaunadodo.
Es war eine neue Erfahrung für Vanessa, dass Menschen, die nicht miteinander verwandt waren, sich so verhielten. Aber bei der geringen Bevölkerungszahl Namibias fühlten sich anscheinend alle irgendwie zusammengehörig.
Als sie am Morgen aufstand, fand sie neben ihrem Bett ein Handtuch und eine Zahnbürste. Im Bad hatte ihr Andrea gestern schon alles gezeigt. Nach dem Duschen und Zähneputzen begab Vanessa sich in die Küche, die direkt hinter dem Hauseingang lag. Es war ein großer Raum, der viel Licht hereinließ, und durch eine Glasschiebetür mit dem Garten verbunden.
»Guten Morgen.« Andrea begrüßte sie mit dem ihr eigenen sympathischen Lachen. »Gut geschlafen?«
»Wie ein Stein.« Vanessa lächelte sie an. »Guten Morgen.« Sie schaute sich um. Bei Dunkelheit hatte die Küche kleiner gewirkt, nun erst sah sie, wie groß sie war. »Tolle Küche. So etwas habe ich mir immer gewünscht.«
»Bei uns hier ist die Küche das Zentrum des Hauses. Das Wohnzimmer, Spielzimmer – sie deutete auf Spielsachen in der Ecke –, was du willst. Apropos: Willst du einen Kaffee?«
Vanessa lächelte. »Dafür könnte ich sterben.«
Andrea lachte. »So viel Opferbereitschaft erwarte ich nicht.« Sie ging zu einer Anrichte hinüber, auf der eine Kaffeemaschine stand, goss Vanessa einen Becher ein und brachte ihn ihr. »Was magst du zum Frühstück? Brötchen sind hier.« Sie deutete auf einen Korb.
»Brötchen?« Die Brötchen im Korb sahen aus wie frisch vom deutschen Bäcker.
»Ja, ich finde, wir haben hier bessere Brötchen als ihr in Deutschland. Hier werden sie nämlich noch von Hand gemacht. Ich war heute Morgen einkaufen, als ich die Kinder zur Schule gebracht habe.«
Vanessa schüttelte leicht den Kopf. »Manchmal habe ich das Gefühl, hier ist alles deutscher als in Deutschland. Die Menschen sind blonder, die Brötchen handgemacht – als ob man in eine andere Zeit gereist wäre.«
»Ein bisschen ist es auch so«, sagte Andrea, nahm Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank und stellte sie vor Vanessa hin. »Jemand hat mal gesagt, Namibia wäre 1904 schockgefroren worden. Vieles, was danach in Deutschland an Entwicklung stattgefunden hat, gab es hier nicht.« Sie schmunzelte. »Man gewöhnt sich daran. Als ich vor zehn Jahren herkam, habe ich genauso reagiert wie du.«
»Du bist nicht in Namibia geboren?«
Andrea schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich möchte nie mehr nach Deutschland zurück. Außer zu Besuch natürlich.« Sie nahm noch ein paar Sachen aus dem Kühlschrank, stellte Milch und Müsliflocken auf den Tisch und setzte sich dann. »Greif zu. Du musst nicht schüchtern sein. Es ist genug da.«
»Es tut mir leid, dass ich dir so plötzlich ins Haus gefallen bin«, entgegnete Vanessa etwas schuldbewusst. »Ich habe mir einfach keine Gedanken gemacht –«
»Das ist doch ganz verständlich.« Andrea legte eine Hand auf ihren Arm. »Denk nicht mehr darüber nach. Solange Kian im Krankenhaus ist, kannst du hier wohnen.«
»Er wollte nicht im Krankenhaus bleiben«, sagte Vanessa, griff endlich nach einem Brötchen und schnitt es durch.
»Das klingt nach ihm.« Andrea lachte. »Aber Kaunadodo hat auch einen ziemlichen Sturkopf. Lass die Beiden das ausfechten.«
»Sie sind zusammen zur Schule gegangen, sagte Kian.« Vanessa biss in das Brötchen. »Ich dachte, das ginge gar nicht.«
»Weil Kaunadodo schwarz ist?« Andrea nickte. »Ja,
Weitere Kostenlose Bücher