Namibische Nächte (German Edition)
»Willst du nicht mitfahren?«
Die Frage traf Vanessa unerwartet. »Ich? Ähm . . .« Selbstverständlich wollte sie mitfahren, aber dass Isolde ihr das anbot . . . »Ja, gern«, antwortete sie so unbefangen wie möglich. »Wenn das möglich ist.«
»Aber sicher. Steig ein.« Kaunadodo schien sie auf einmal als Familienmitglied zu betrachten.
Vanessa stieg hinten in den Wagen zu Kian.
»Wie geht es deiner Familie?«, fragte Isolde. »Alles gesund und munter?«
Kaunadodo nickte. »Komm doch vorbei, wenn du das nächste Mal in Windhoek bist. Andrea würde sich freuen.«
Isolde lächelte. »Ich würde sie auch gern einmal wiedersehen. Es ist immer so viel zu tun. Ich bin oft nur zum Vorräte einkaufen in Windhoek.«
Kaunadodo stieg ein. Er lächelte Isolde zuversichtlich an. »Mach dir keine Sorgen. Wird schon schiefgehen.«
Isolde atmete tief durch. Nun sah man ihr doch ein wenig Sorge an. »Ich weiß, du bist der Beste.«
Die Sanitäterin, die mit Vanessa hinten im Wagen saß, schloss die Tür, und der Sanitäter ließ den Wagen an und fuhr los.
Sie wendeten, und als sie Isolde passierten, hob sie die Hand, winkte verabschiedend und drehte sich dann um, weil ein Angestellter kam, um sie etwas zu fragen. Es schien, als wäre für sie die Angelegenheit nun erledigt. Kian wurde weggebracht, und sie musste sich um nichts mehr kümmern.
Vanessa saß neben Kian, der auf der Trage lag. Er schaute sie an, aber seine Augen wirkten kraftlos.
Sie nahm seine Hand. »Alles wird gut.«
»War das nicht irgendwie mein Text?« Er lächelte schief.
»Kannst du nicht ein Mal aufhören, den Starken zu spielen, und einfach Hilfe annehmen?«
Er holte tief Luft. Oder er versuchte es, zuckte jedoch zusammen und atmete wieder flach. Seine Lippen pressten sich aufeinander. »Wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben diesmal.«
»Ich weiß, das ärgert dich furchtbar.« Sie lächelte zärtlich. »Aber es muss sein. Eine Kugel in der Brust ist nun einmal eine ernste Sache.«
»Fühlt sich so an«, antwortete er mühsam.
»Kaunadodo ist ein guter Arzt?«, fragte sie.
Kians Mundwinkel verzogen sich leicht ironisch. »Er liebt es, Leute aufzuschneiden. Er ist mit Isolde und mir zur Schule gegangen. In die DHPS.«
Vanessa runzelte die Stirn. »Ist das nicht eine deutsche Schule?«
»Ja. Die Deutsche Höhere Privatschule. Aber das heißt ja nicht, dass da nur Deutsche hingehen.« Kians Augenlider fielen schwer zu. Er konnte sie nicht mehr offen halten.
Vanessa streichelte seine Hand. »Schlaf. Ruh dich aus.«
»Bei dem Geruckel?« Er öffnete die Augen zwar nicht, antwortete aber trotzdem.
»Das müsstest du doch gewöhnt sein. Du bist hier aufgewachsen.« Sie nahm ein Tuch, das an der Seite lag, und wischte ihm den Schweiß von der Stirn. Sie wollte ihm nicht zeigen, wie besorgt sie war, versuchte, gutgelaunt zu erscheinen, aber er sah furchtbar aus. Fast schon wie ein Toter. Er hatte viel Blut verloren. Wenn N!xau die Blutung nicht gestoppt hätte, wäre es vielleicht schon lange vorbei gewesen.
Sie schluckte. Nein, es durfte nicht vorbei sein. Sie schloss die Augen. Es hatte doch gerade erst wieder angefangen.
Als sie erneut zu ihm hinblickte, sah sie, dass er eingeschlafen war. Oder vielleicht eher in Ohnmacht gefallen, obwohl sie das in seiner Gegenwart wohl lieber nicht erwähnen sollte, wenn er wieder wach war.
Was für ein störrischer Esel du bist, dachte sie. So ein liebenswerter störrischer Esel. So viele Erinnerungen kehrten zurück. Sie konnte sich nicht dagegen wehren, dass sie alles wieder vor sich sah.
Er war in ihr Leben getreten wie ein exotischer Hauch aus einer anderen Welt. Nein, kein Hauch. Eher ein Baumstamm. Einer dieser Mammutbäume, die tausend Jahre alt waren, hoch und breit, und alles überragten.
Er war groß und stark und selbstbewusst. Er wusste immer, was zu tun war. Zumindest, wenn es sich um praktische Dinge handelte. Nie war ihr Leben in dieser Hinsicht so leicht gewesen wie zu dem Zeitpunkt, als sie zusammen gewesen waren. Er hatte alle Probleme mit einem Lachen gelöst. Es erschien fast wie mit einem Fingerschnippen. Er hatte ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, wie sie es zuvor kaum je gekannt hatte. Es gab nichts, was ihn aufhalten konnte.
Sie betrachtete sein blondes Haar, das nun vom Schweiß durchtränkt dunkler erschien. Sie lächelte leicht. Hatte es da nicht mal eine alte Fernsehserie gegeben mit so einem großen, blonden Hünen als Tarzan? Kian hätte die Rolle gut
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