Namibische Nächte (German Edition)
auch.«
Vanessas gute Laune verschwand. »Das tut mir leid.«
Andrea hob bedauernd die Augenbrauen. »Es ist wohl leider nicht aufzuhalten. Selbst in Namibia gibt es nicht mehr viele Orte für Nomaden.«
»Das ist schade«, sagte Vanessa.
»Allerdings.« Andrea blickte sie fragend an. »Willst du noch in der Stadt bleiben? Ich fahre jetzt zum Krankenhaus. Kaunadodo hat die Kinder von der Schule abgeholt. Ich bringe sie nach Hause.«
»Das ist ja eine praktische Arbeitsteilung«, sagte Vanessa, während sie neben Andrea herging.
»Nur manchmal«, sagte Andrea. »Wenn ich um die Zeit, wenn die Schule aus ist, noch in der Uni bin. Leider gibt es hier keine Möglichkeit, dass die Kinder nach Hause kommen, ohne dass die Eltern sie jeden Tag mit dem Auto abholen.«
»Ich bin immer mit dem Bus gefahren«, sagte Vanessa.
»Ich mit der Bahn«, nickte Andrea. »Aber leider gibt es hier kein öffentliches Verkehrssystem. Viele Kinder fahren mit den Sammeltaxis, aber das möchte ich meinen Kindern nicht zumuten, es ist nicht gerade angenehm. Und dafür ziemlich teuer. Zudem sind die Fahrer nicht immer zuverlässig.«
»Das kann man sich kaum vorstellen.« Vanessa schüttelte den Kopf. »Es war immer so selbstverständlich, dass alle Kinder entweder zur Fuß zur Schule gegangen sind oder mit dem Bus oder der Straßenbahn kamen.«
»Ich wünschte, so etwas hätten wir hier.« Andrea seufzte. »Manchmal ist es extrem aufwendig. Die Schule beginnt morgens um sieben. Also müssen wir die Kinder um die Zeit dort abliefern. Mittags um eins ist sie aus, dann müssen wir sie wieder abholen. Es gibt immer ein fürchterliches Verkehrschaos vor der Schule, wenn alle Eltern gleichzeitig mit ihren Riesenjeeps kommen.«
»Da könnte man doch –«
Andrea hob die Hand und unterbrach sie. »Glaub mir, wir haben schon alles Mögliche überlegt. Aber die Schulen hier sind genauso unflexibel wie die Stadtverwaltung oder die Eltern. Und da die guten Schulen alle Privatschulen sind, haben die Eltern eine Menge zu sagen.«
»Aber gerade die Eltern müssten doch daran interessiert sein, dass das besser geregelt wird.«
»Müssten sie.« Andrea seufzte. »Aber die meisten kennen es eben ihr Leben lang so.«
Vanessa schüttelte den Kopf. »Unvorstellbar.«
Andrea lachte. »Man gewöhnt sich daran. Am Anfang versuchen alle, die hier nach Namibia kommen, etwas zu ändern, mit der Zeit setzt man seine Energie lieber für andere Dinge ein. Es ist verlorene Liebesmüh. Und außerdem –«, ihr verschmitzter Gesichtsausdruck schien alle Sorgen wegzuwischen, »ist Namibia ein wunderschönes Land, das so viel bietet, von dem ich früher nicht einmal träumen konnte. Wir Deutschen glauben zu sehr an Perfektion. Es muss nicht alles perfekt sein. Es reicht, wenn es schön ist.«
Vanessa lachte auf. »Sag das mal meine Kunden!«
»Ja, in Europa ist das schwierig«, stimmte Andrea zu. »Deshalb möchte ich da auch nie wieder leben.«
Sie fuhren zum Krankenhaus zurück, und wie zu erwarten war Kian kaum noch im Bett zu halten. Er fühlte sich absolut in der Lage, aufzustehen und zur Farm zurückzukehren.
»Heute nicht mehr«, sagte Kaunadodo streng. »Du wirst dich danach richten müssen. Es sei denn, du willst bei Nacht und Nebel fliehen.«
Kian verzog das Gesicht. »Mit dir auf den Fersen? Danke, das spare ich mir.«
»Kian, du bist unverbesserlich.« Andrea lachte. »Wie hält Isolde das nur aus?«
Vanessa zuckte bei der Erwähnung von Isoldes Namen zusammen.
Statt Andreas Frage zu beantworten, stellte Kian eine Frage an Vanessa: »Was hast du für die Tasche bezahlt?«
Vanessa lächelte. »Die Hälfte. Aber ich hatte das Gefühl, auch damit war die Verkäuferin sehr zufrieden.«
»Vielleicht hätte ich eher sagen sollen: ein Viertel«, brummte Kian. Seine Stimme klang nun nicht mehr so schwach, sondern hatte sich erholt. »Wahrscheinlich setzen sie die Preise für die Touristen immer höher an.«
»Es ist in Ordnung«, sagte Vanessa. »In Deutschland hätte ich so eine Tasche bestimmt nicht für den Preis bekommen. Wenn ich das umrechne, war es sehr billig.«
»Wir sind aber nicht in Deutschland«, brummte er.
»Jetzt hör doch auf mit der Tasche.« Andrea schüttelte den Kopf. »Wie ist es«, sie schaute Vanessa an, »du willst doch sicher noch hierbleiben.«
Vanessa wusste nicht, was sie auf diese Frage antworten sollte, aber Kaunadodo nahm ihr die Antwort ab. »Du kannst Andreas Wagen haben, wir fahren mit meinem nach
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