Namibische Nächte (German Edition)
Hilfe sein.
Als sie aus der Touristeninformation heraustrat, sah sie das, was Kian wohl als Holzhändler bezeichnet hatte. Entlang des Parkplatzes waren eine Menge geschnitzte Giraffen, Elefanten und sonstige Schnitzarbeiten aufgebaut. Es gab auch Schüsseln aus einem Holz, das sie noch nie gesehen hatte. Es war zum Teil dunkelbraun, dann wieder sehr hell. Die Maserung war ungleichmäßig. Es sah aus, als hätte man die Schüssel aus mehreren Teilen zusammengesetzt. Aber als sie sie in die Hand nahm, sah sie, dass es dasselbe Holz war. Aus einem einzigen Stück.
Im selben Moment, als sie die Schüssel vom Boden aufhob, stürzte ein Händler auf sie zu. »Schön«, sagte er mit einem breiten Lächeln seiner weißen Zähne in einem sehr schwarzen Gesicht. »Nur fünfhundert Dollar, mevrou.«
Vanessa wusste nicht genau, wie viel Geld sie hatte, aber die Summe erschien ihr sehr hoch. »Ich will das jetzt nicht kaufen«, antwortete sie.
»Vierhundert«, sagte er.
Sie lachte. »Nein. Nicht jetzt.«
»Dreihundert«, sagte er. »Ich habe sieben Kinder.« Er schaute sie treuherzig an.
»Glückwunsch«, erwiderte Vanessa amüsiert. Er sah nicht gerade abgezehrt aus. Sie bezweifelte, dass er sich um die Kinder kümmerte und nicht seine Frau. Oder seine Frauen? Sofern er überhaupt Kinder hatte. »Aber ich kaufe trotzdem nichts.«
Sie drehte sich um und verließ den Parkplatz in Richtung einer hoch aufragenden Kirche, die oben auf einem Hügel mitten in der Stadt stand. Auf ihrem Plan war sie als Christuskirche verzeichnet.
Sie stieg den Hügel hinauf und besichtigte die Kirche, die laut ihrer Broschüre am Plan ursprünglich von der deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinde erbaut worden war. Jetzt galt sie als Wahrzeichen der Stadt. Etliche Touristen streiften mit ihr durch das Bauwerk, dann wurden es immer mehr, und sie floh hinaus.
Langsam schlenderte sie die Straße entlang, bis sie an einem kleinen Park angekommen war. Zoo Park stand auf einem Schild.
Sie fragte sich, ob es ein Zoo war. Gab es hier Tiere? Sie sah jedoch nichts. Sie betrat den Park und genoss auf den gepflegten Wegen den Schatten unter den Bäumen. Es war mittlerweile doch ziemlich heiß geworden. Auf der großen Wiese, die das Zentrum des Parks bildete, saßen Leute, manche mit Einkaufstüten um sich herum, Kinder spielten – allerdings sehr leise, man hörte sie kaum –, und es gab einen Brunnen, Bänke. Es machte fast den Eindruck eines deutschen Kurortes, wenn die Menschen auf dem Rasen nicht zum großen Teil dunkelhäutig gewesen wären.
An einem Ende des Parks entdeckte sie ein Café, dessen Einrichtung man wohl nur als Kolonialstil bezeichnen konnte. Auf einer kleinen Veranda standen mehrere Rattansessel, gerade richtig für den Nachmittagstee. Zuerst wollte sie sich dort niederlassen, aber als sie das Café betrat, sah sie, dass es auf der anderen Seite noch eine große Terrasse gab.
Am Rand der Terrasse hingen Blätter eines riesigen Gummibaumes, der unten im Park stand, über den Tischen. Sie waren zum Teil festgebunden, damit sie die Tische nicht ganz bedeckten.
Vanessa setzte sich an einen der Tische am Geländer unter die gewaltigen Äste. Ihre Mutter hatte einen Gummibaum gehabt, an den Vanessa sich noch aus ihrer Kindheit erinnerte. Aber der war entschieden kleiner gewesen.
Sie schaute auf den Baum hinunter. Die Terrasse lag sicherlich zehn Meter über den Wurzeln des Baumes, aber er war viel höher als die Terrasse. Seinen Stamm hätten kaum mehrere Leute umfassen können. Gigantisch. Dass es so etwas gab. Das unterschied sich doch sehr von den Gewächsen, die in irgendwelchen Zimmerecken standen.
Eine junge Kellnerin kam zu ihr, und Vanessa bestellte einen Cappuccino. Cappuccino unterm Gummibaum. Irgendwie eine lustige Vorstellung. Sie lächelte.
Kurze Zeit später nippte sie an dem Cappuccino, der sich in nichts von einem unterschied, wie man ihn in irgendeinem deutschen Café hätte bekommen können, und lehnte sich in ihren bequemen Sessel zurück. Sie spürte, wie die warme Luft weich über ihre Haut strich. Sie schloss die Augen und bildete sich ein, jemand würde ihr Gesicht streicheln.
Nicht jemand. Kian. Nur seine Berührungen wünschte sie sich. Aber das war illusorisch. Er war für sie so unerreichbar wie die Spitze dieses Gummibaums.
Sie dachte an die Nacht am Lagerfeuer, im Zelt. Auch wenn die Kühle der afrikanischen Sternendunkelheit sie umfangen hatte, in ihrer Erinnerung spürte sie nur Hitze. Kians
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