Nana - der Tod traegt Pink
und bringt neue Sichtweisen zutage. Nanas beste Freundin »Nase«:
Wir haben uns alle so krass verändert. Allerdings nicht schon während der Krankheit sondern erst mit ihrem Tod. Meine Prioritäten haben sich verschoben. Wenn ich heute im Job mit der Arbeit nicht ganz fertig werde, dann schaffe ich es eben nicht! Jetzt denke ich, jeder Tag könnte der letzte sein, also genieße ihn! Den Sonnenschein, ein schönes Lied im Radio, ein gutes Meeting in der Arbeit. Ich versuche, alles positiver zu sehen.«
Nicht nur Nanas direktes Umfeld, das sie begleitet hat, erlebt einen Wandel im Denken. Auch Menschen, die Nana nur für wenige Stunden persönlich getroffen haben, profitieren von der Begegnung mit ihr – beispielsweise der Fotograf Ron Maass:
Nana hinterlässt an uns alle die Aufforderung, bewusst jeden Augenblick zu leben. Sie hat es wirklich geschafft mit ihrem Kopf nur bei der Sache zu sein, die sie in dem Moment gemacht hat und hat sich von nichts ablenken lassen. Da kann man nur sagen: Macht es genauso! Lebt euer Leben bewusst und denkt nicht an Dinge, die ihr nicht ändern könnt!«
Warum Nana diese Haltung so extrem entwickeln konnte, liegt für ihren Vater Axel auf der Hand:
Fragen nach ›Was mache ich in drei, vier Jahren?‹ konnte sich Nana gar nicht stellen – diesen Zeithorizont hatte sie ja nicht mehr. Das wusste sie sicherlich auch.«
Alle in der Familie Stäcker nehmen die Gewissheit mit, dass nichts im Leben planbar ist. Dazu komme auch der Verlust der Unbekümmertheit, so Nanas Vater Axel.
Dennoch habe sich für ihn nicht das gesamte Wertegefüge verschoben:
Man könnte sich hinstellen und sagen, das ist das Schlimmste, was einem passieren kann, daran lässt sich nichts messen. Folglich könnte einem alles, was danach kommt, egal sein. Das kann ich nicht für mich behaupten. Dennoch betrachte ich vieles als nicht mehr so relevant.«
Für Chris, Nanas Verlobten, spielt die Zukunft in seinen Gedanken heute keine große Rolle:
Der Tellerrand ist ganz nah, und darüber hinaus mag ich gar nicht schauen. Ich will mich nicht damit beschäftigen, ob ich irgendwann wieder eine Freundin habe. Was generell mit mir passiert, wo ich hinziehe. Ich kann ja planen, wie ich will – ob es Bestand hat kann mir keiner garantieren.
Vor Nanas Krankheit habe ich natürlich nicht so gedacht. Aber wenn du ein Konzert entdeckst und fragst: ›Hey, wollen wir da hingehen?‹ und die Antwort lautet: ›Ich weiß doch gar nicht, ob ich da überhaupt noch lebe!‹, dann gewöhnst du dir diese Sichtweise einfach an.«
Todesangst? Gestorben!
Die Auseinandersetzung mit dem Tod verändert. Kann sie Ängste abbauen? Kann man dem Tod allein durch die Beschäftigung mit ihm den Schrecken nehmen? Menschen, die täglich professionell mit dem Sterben konfrontiert sind, machen interessante Erfahrungen. Wie etwa Dr. Dr. Berend Feddersen 6 , der Nana als Palliativmediziner begleitete:
Sterbende Patienten artikulieren meist gar keine Angst vor dem Tod, sondern eher vor dem Weg dorthin. Für mich ist das faszinierend – ich würde mir über den Weg gar nicht so viele Gedanken machen, weil ich weiß: Es gibt eine Reihe von Optionen, um die Beschwerden bei Bedarf nachhaltig zu lindern.«
Für Schwester Conny, die Nana als Mitglied des Palliativteams begleitete, ist völlig klar:
Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Im Gegenteil, ich stelle mir vor, wen ich so wiedertreffe. Da ist meine Oma, bei der ich aufgewachsen bin, auf die ich mich wahnsinnig freue. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum wir die palliativen Patienten so gut betreuen können: Wir haben uns mit dem Tod auseinandergesetzt und Ängste verloren.«
Rückzieher vor Sterben und Tod
Nicht alle können oder wollen das Thema tödliche Krankheit an sich heranlassen. Nana und Familie müssen erfahren, dass Freundschaften bröckeln, sich gute Freunde zurückziehen – sowohl während Nanas Krankheit als auch nach ihrem Tod.
Serap Tari von lebensmut e.V. ist dieses Phänomen vertraut. Sie hört in vielen Gesprächen mit Krebspatienten, dass sich in deren Umfeld sozusagen die Spreu vom Weizen trennt:
Der Freundes- wie auch der Bekanntenkreis erfährt eine extreme Verwirbelung. Menschen, die einem vor der Diagnose ganz nahe waren, ziehen sich immer weiter zurück. Und umgekehrt können weit entfernte Bekannte plötzlich richtig nahe heranrücken und sich zu den besten Begleitern entwickeln. Es kommen Freunde und es gehen Freunde. Das ist eine ganz
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