Nana - der Tod traegt Pink
vorher Dinge beim Namen genannt wurden. Es kann also auch heilsam sein, zusammen zu lachen, genauso wie zusammen zu weinen. Das liegt ja bekanntlich ganz nahe beieinander.«
Warum (nicht) ich?
Manche Menschen, die mit derart radikalen Umwälzungen in ihrem Leben konfrontiert sind, reagieren auf diese gravierende Veränderung von außen mit großer Verbitterung. Bei Nana konnte man Derartiges nicht im Geringsten feststellen. Sie hat nie gehadert.
Dabei ist es wohl normal, dass irgendwann im Verlauf einer schweren Erkrankung die Frage »Wieso trifft es eigentlich mich?« auftaucht.
In Nanas Fall könnte die Frage konkret lauten: Wieso erkrankt diese ansonsten kerngesunde junge Frau an Krebs? Sie ist doch Nichtraucherin bis auf wenige Ausnahmen, mäßige Alkoholkonsumentin, hat kein Übergewicht, ist gesund ernährt und frisch verliebt, gilt als ausgeglichen und fröhlich?
Weder Lebenswandel oder Risikofaktoren noch religiös motivierte Bestrafungstheorien hätten passende Antworten zu bieten.
Sterblichkeit. In Ewigkeit. Amen?
Selbst in unserer aufgeklärten Gesellschaft machen wir bei der Ursachenforschung für eine tödliche Krankheit gerne eine übergeordnete Instanz verantwortlich, halten Ausschau nach dem Wink des Himmels oder einer Vorbestimmung. Wir erfragen nicht nur das »Warum«, wir erwarten auch eine nachvollziehbare Erklärung – ist es »was Genetisches«? Habe ich »etwas falsch gemacht«? Oder sind wenigstens andere schuld?
Da uns vorgegaukelt wird, jegliche gesundheitliche Schwierigkeit sei heil- oder zumindest beherrschbar, erwarten wir auch automatisch ein Gegenmittel.
Dabei ist es noch nicht so lange her, da waren wir schutzlos vielen Krankheiten ausgeliefert, die heute vergleichsweise harmlos sind. Noch vor 100 Jahren wäre ein Großteil unserere Erstklässler nie eingeschult worden. Scharlach, Keuchhusten, Masern wüteten in den Familien. Eine kleine Verletzung, mit etwas Erde verunreinigt, führte oft zum qualvollen Tod durch Wundstarrkrampf. Lungenentzündung, heute mit einer Antibiose zu bekämpfen, kostete zahllose Kleinkinder das Leben.
Waren die Menschen ohne Tetanusimpfung und Penizillin am Ende besser auf derartige Schicksalsschläge vorbereitet? Half ihnen der Glaube an eine gottgewollte Prüfung? Waren sie so fest von einem Leben nach dem Tod überzeugt, dass sie das Sterben nicht groß schrecken konnte?
Wenn wir uns heute so schwertun mit der Akzeptanz unserer Sterblichkeit, hat das unterschiedlichste Ursachen. Die unerschütterliche Hoffnung vieler, durch den »richtigen« Lebensstil, Medikamente und Impfungen auch von ernsten Krankheiten wie Krebs verschont zu bleiben, gehört sicher dazu. Wahrscheinlich wird die Forschung eines Tages Antworten parat haben, die heute niemand glauben würde. Dann könnte es sein, dass jeder Krebs heilbar ist — egal, wie selten, aggressiv oder fortgeschritten er sein mag. Nur: Welche Krankheiten bedrohen uns dann? Ist der Mensch samt seiner Medizin so allmächtig, dass er
alles ausmerzen kann? Oder bleibt im Wettlauf um ultimative Heilung unsere Rolle doch die des Hasen, denn allem Fortschritt zum Trotz wartet wie der Igel die nächste Krankheit schon auf uns?
Es kann jeden jederzeit treffen. Basta!
Kurz nach Nanas Ewing-Sarkom-Diagnose tauchten im Hause Stäcker durchaus Gedanken über das »Warum?« auf. Doch Mutter Barbara gelang es, diese schnell aus Nanas Welt zu vertreiben. Schließlich hatte sie in ihrem Beruf ausreichend oft erlebt, dass kein Mensch eine Garantie auf Gesundheit besitzt — unabhängig von Alter, Charakter und Lebenssituation. Es kann jeden jederzeit treffen. Auf Nanas Beerdigung fiel schlussendlich der Satz: »Niemand, wie klein oder groß er auch sein mag, hat ein Recht auf das Leben.«
Wer der Fragestellung »Warum ich?« zu viel Platz in seinem Leben einräumt, versäumt möglicherweise, seine großen und kleinen Chancen in der persönlichen Misere zu entdecken. Nana jedenfalls hat sich nicht lange mit solchen Schicksalshadereien aufgehalten. Und sie hat sich die Frage »Warum ich?« später nie wieder gestellt.
Bild 54
Ein Foto von Nana, Oktober 2009. Und ein Facebook-Eintrag von ihr, August 2011: »Yes, I’m happy and I love my life with all its ups and downs ♥«
Erwachsen
In den 15 Monaten ihrer Krankheit muss Nana schon allein rein körperlich Extremes durchstehen. Die drastischen Nebenwirkungen der Chemotherapien, der Gewichtsverlust durch den Tumor und medikamentös bedingte
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