Nana - der Tod traegt Pink
hat sie sich ja noch darüber beschwert, dass sie nur so ein Gammel-T-Shirt anhat!«
Sabrina ist die Begegnung mit dem Tod nicht fremd. Wenige Monate zuvor starb der Vater eines Freundes an Krebs, und hier, so Sabrina, habe sie ihre frühere Angst vor toten Menschen verloren. Erleichtert sei sie gewesen, wie friedlich der Tote aussah. Genau das empfindet sie nun wieder bei Nana: »Da ist nichts, wovor man Angst haben muss, es sich anzusehen oder anzufassen.« Eine nicht gerade alltägliche Haltung in unserer heutigen Gesellschaft, die seit Langem versucht, das Sterben auszublenden.
Den Tod be-greifen
Erlebten es frühere Generationen als normalen Prozess, wie ihre Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten und Geschwister im Haus, in der Nachbarschaft, im Dorf starben, so hat sich dies über die letzten Jahrzehnte in offizielle Einrichtungen verlagert. Sterben daheim gehört nicht mehr zum Erfahrungsschatz unserer Generation. Gründe dafür gibt es viele. Allein durch die meist radikal veränderten Familienstrukturen sind andere Lösungen als Klinik, Pflegeheim, Hospiz oder Palliativstation oft überhaupt nicht realisierbar. Wer kann es sich zeitlich
leisten, einen sterbenden Angehörigen über unbestimmte Zeit hinweg zu Hause zu pflegen? Ohne unterstützende Großfamilienstruktur im Rücken?
Wen wundert es, dass unsere Gesellschaft solche Ängste vor dem Umgang mit Toten entwickelte, dass uns diesbezüglich Schreckensvorstellungen plagen? Erscheint uns die Vorstellung des Unbekannten doch oft furchtbarer als die Realität selbst. Mit dem Wegschließen des Sterbens und der Toten verlieren wir aber auch elementare Sterberituale, die im Prozess des Trauerns und Loslassens eine wichtige Rolle spielen. Auch für Barbara:
Uns allen hat es so gut getan, dass Nana nach ihrem Tod noch so lange bei uns bleiben konnte. Es war eine entscheidende Phase des Verabschiedens. Allein den Tod mit seinen eigenen Händen im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen: wie Nana allmählich kalt wurde, alle Weichheit verlor, bis sie schließlich aussah und sich anfühlte wie Marmor. Ich habe immer wieder gerne ihre Hand gehalten, solange noch etwas Wärme in ihr war. Und als sie dann kalt war und damit ganz Leichnam und überhaupt nicht mehr Nana, konnten wir ihre Hülle gehen lassen. Es war für uns alle bereichernd und wichtig, dass Nana bis zu diesem Punkt bei uns bleiben konnte.«
Info: Aufbahrung
Die Aufbahrung zu Hause, noch vor 100 Jahren normal, ist heute weitestgehend verschwunden. Wenn sich heute wieder Angehörige dafür entscheiden, geschieht das auch aufgrund einer Gesetzesänderung. Denn jahrelang war es untersagt, Tote daheimzubehalten. Erst seit 2007 ist es beispielsweise dank einer neuen »Leichenordnung« in München erlaubt, die private Aufbahrung zu praktizieren. Inzwischen können in den meisten Bundesländern die Verstorbenen bis zu 36 Stunden zu Hause aufgebahrt werden. Man erkundigt sich am besten vor Ort nach der jeweiligen Regelung.
In den ersten 24 Stunden dürfen Tote dort, wo sie verstorben sind, verbleiben. Danach muss ein Bestatter eine sogenannte Einsargung vornehmen, damit die Familie weitere 48 Stunden zum Abschiednehmen hat. Die dreitägige Aufbahrung zu Hause kann immer vorgenommen werden, selbst wenn jemand im Krankenhaus oder Pflegeheim gestorben ist. Ein jahrhundertealter Bestattungsbrauch – für einige Jahrzehnte per Gesetz verboten – ist durch eine entsprechende Modifikation wieder autorisiert.
Familie und Freunde nutzen die Zeit zum Verabschieden. Immer wieder sitzt jemand neben Nana, berührt ihren toten Körper, spricht zu ihr. Dies so intensiv erleben zu können, liegt auch am Bestattungsinstitut AETAS 5 . Hier lautet die erste Frage ganz bewusst: »Wie lange möchten Sie Ihre Angehörige noch bei sich behalten?« Und nicht: »Wie schnell sollen wir sie abholen?« Unternehmensgründer Florian Rauch und seine Geschäftspartnerin Nicole Rinder erkennen schon seit Jahren ein gesellschaftliches Trauerdefizit und begreifen es auch als ihre Aufgabe, dies behutsam zu beheben. Denn laut Florian Rauch gibt es hier enormen Nachholbedarf:
Nanas Familie ist sicher nicht repräsentativ in ihrer Aufgeschlossenheit. Die meisten Angehörigen sind eher verängstigt. Wir erleben es sogar, dass Familien es gänzlich ablehnen, den Verstorbenen überhaupt noch mal zu sehen. Den Satz: ›Ich möchte denjenigen lebend in Erinnerung behalten!‹ hören wir regelmäßig. Worauf wir entgegnen müssen: ›Einen
Weitere Kostenlose Bücher