Nana - der Tod traegt Pink
mittels hirnwirksamer Substanzen müde zu machen und schlafen zu lassen. Doch auch das gestaltete sich schwierig. Nichts hat gewirkt, jedenfalls nicht länger als eine halbe Stunde. Nana hat zwischeridrin immer wieder viel geredet, mitunter wirklich Lustiges, oft auch Unverständliches. Insgesamt war sie äußerst unruhig.«
Nanas Bewusstseinszustände schwanken zwischen heftig fantasierend und dann wieder erstaunlich klar. Ihre Gedanken drehen sich vor allem um die noch nicht erledigten Aufgaben. Der Brief an ihre Mutter. Die Garderobe für ihre bevorstehende Beisetzung. Mehrfach äußert sie die Sorge: »Ich hab doch meine Kleider noch nicht herausgesucht!« Irgendwann versucht Barbara, ihre Tochter zu beruhigen: »Nana, mach dir keine Gedanken, wir kennen deinen Stil, wir wissen, was dir gefällt. Chris und ich werden ganz bestimmt das Richtige für dich aussuchen, du kannst dich auf uns verlassen.« Worauf Nana sehr bestimmt entgegnet: »Ja, aber macht bloß keinen Scheiß!«
Noch etwas beschäftigt Nana in diesen Stunden. In ihrer bisweilen bereits verwaschenen Sprache ist immer wieder »Facebook« herauszuhören. Barbara vermutet, Nana empfinde hier etwas als noch nicht ganz abgeschlossen. Schließlich hat sich Nana auf Facebook nicht verabschiedet, ihr Nachhausegehen nur einem engsten Kreis persönlich übermittelt. Da Barbara von Nana mit allen Passwörtern und Zugangsdaten zu sämtlichen Accounts versehen wurde, begreift ihre Mutter dies als Aufgabe, die ihr zufallen wird, wenn es soweit ist.
Inzwischen bespricht das Palliativteam – Dr. Feddersen ist in der Nacht häufig telefonisch zugeschaltet – gemeinsam mit Silke die Optionen, die sich jetzt noch bieten für Nana.
Info: Palliative Sedierung
Gemäß EAPC (European Association for Palliative Care) versteht man darunter die engmaschig kontrollierte Gabe von Medikamenten bei einem Sterbenden. Sie hat eine Dämpfung bis hin zur Ausschaltung seines Bewusstseins zum Ziel, um belastende Symptome bzw. unerträgliche Schmerzen in anders nicht mehr therapierbaren Stadien in ethisch akzeptabler Weise zu lindern.
Die palliative Sedierung kommt zum Einsatz, wenn alle vorangegangenen Therapieversuche versagt haben, oder wenn das Palliativteam übereinkommt, dass keine Methode zur Linderung Innerhalb eines akzeptablen Zeitfensters und ohne unzumutbare Nebenwirkungen zur Verfügung steht. Die häufigsten Symptome, gegen die sie eingesetzt wird, sind Delir/Agitiertheit (krankhafte Verwirrung, Angst und Unruhe), Atemnot und Schmerzen. Die Entscheidung sollte im Team unter Einbeziehung des Sterbenden, seiner Angehörigen und seines Hausarztes erfolgen. Es ist der niedrigste Grad der Sedierung anzustreben, der eine adäquate Linderung bewirkt. Die Sedierungstiefe erfolgt daher schrittweise und vom Erfolg der erreichten Symptomkontrolle abhängig.
Die Angehörigen müssen wissen, dass der Tod so nicht beschleunigt wird, sondern der Sterbende unter guter Symptomkontrolle noch mehrere Tage tief schlafend leben kann. Je nach Sedierungstiefe sind auch kurzes Aufwachen oder Bewegungen möglich.
Oma, bis bald!
Für Dr. Feddersen ist bald klar, worauf die extreme Zuspitzung von Nanas Situation hinauslaufen würde:
Bei Nana sahen wir uns dem gegenüber, dass eine gute Symptomkontrolle nur über die ›terminale Sedierung‹ erreichbar sein würde. Denn Nanas Situation verschärfte sich dramatisch, eigentlich ging es Schlag auf Schlag. Das heißt: Medikation erhöhen, erhöhen, erhöhen – doch das bringt nichts mehr. Die terminale Sedierung hatten wir im Vorfeld allerdings nicht so intensiv besprochen. Da zeigte sich, wie gut unsere Kommunikation untereinander in der entsprechenden Nacht war, denn es ist nicht selbstverständlich, dass wir sowohl mit Nana als auch mit ihrer Familie geradlinig auf diesen Weg gekommen sind. Man spürte das unglaubliche Vertrauen, das man in einer ganz kurzen Zeit zueinander gewonnen hatte.«
Schmerzen. Unvorstellbare Schmerzen. Schmerzen, die nicht auszuhalten sind. Nana bittet um immer höhere Morphiumdosen, was ihr selbstverständlich gewährt wird. Doch nichts bringt Erleichterung. Wiederholt artikuliert Nana: »Mama, bitte spritzt mir was, damit ich endlich einschlafen kann!«
Das medizinische Team bereitet die einzig noch möglichen nächsten Schritte vor. Schwester Conny:
Ich habe mit Nana besprochen, dass wir ihr den Schlaf nur ermöglichen könnten, wenn wir sie ins Koma legen. Allerdings würde sie dann wahrscheinlich
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