Nana
Fällen niederdrücke, so daß der prügellustige Liebhaber mit der Hand durch die Luft fahre. Nana redete sich in ein wahres Entzücken über die Ohrfeigen hinein, die sie von Fontan erhalten; sie zergliederte sein Tun und Lassen haarklein bis auf die Art und Weise, wie er seine Schuhe ausziehe. Satin fand schließlich selbst Gefallen an Fontan und seinen Manieren; sie erzählte noch stärkere Geschichten dieser Art. So zum Beispiel, daß einmal ein Pastetenbäcker, mit dem sie liebte, sie dermaßen geschlagen, daß sie halbtot auf dem Boden liegen geblieben sei, ihn aber nur um so mehr liebte.
Dann kamen Tage, an denen Nana in Tränen zerfloß und erklärte, sie ertrage es nicht länger. Satin begleitete dann ihre Freundin bis zu ihrer Türe und blieb noch eine Stunde auf der Straße unten, um zu sehen, ob Fontan sie umbringe. Am andern Tage kamen dann wieder die Versöhnungsgeschichten.
Die beiden Frauenzimmer wurden allmählich unzertrennlich; doch kam Satin nie zu Nana, weil Fontan nicht duldete, daß sie die Wohnung betrete. Sie gingen miteinander aus, und so kam es, daß Satin eines Tages ihre Freundin zu einer Dame führte. Es war jene Madame Robert, für die Nana eine gewisse Achtung empfand, seitdem diese es abgelehnt hatte, zu ihrem Essen zu kommen. Madame Robert wohnte in der Mosnier-Straße, einer neuen, stillen Straße im Europa-Viertel. In der ganzen Straße befanden sich keine Kaufläden; in den Häusern waren zumeist kleine, enge Wohnungen, die von gefälligen Damen bewohnt waren. Es war fünf Uhr. Längs der verlassenen Fußsteige hielten in der aristokratischen Stille der Straße vor den hohen, neuen Häusern die eleganten Wagen von Börsemaklern und reichen Kaufleuten, während einzelne Herren rasch vorübereilten und flüchtige Blicke zu den Fenstern hinaufsandten, an denen die Damen im Hauskleide warteten. Nana weigerte sich anfangs hinaufzugehen und meinte, sie kenne diese Dame nicht. Aber Satin drang in sie; man könne immer eine Freundin mitbringen, sagte sie. Sie wolle bei Madame Robert bloß einen Höflichkeitsbesuch machen. Sie habe sie gestern in einem Restaurant getroffen, und Madame Robert habe ihr das Versprechen abgenommen, sie zu besuchen. Nana ließ sich endlich überreden. Oben sagte ihnen eine schläfrige Magd, Madame sei noch nicht zurück. Sie führte die Damen in den Salon und bat sie zu warten.
Herrgott, das ist aber schick! rief Satin aus.
Die Wohnung war in ernstem, bürgerlichem Stil gehalten, Wände und Einrichtung mit dunklen Stoffen überzogen, alles mit der soliden Eleganz eines Kaufmannes, der sich mit Vermögen von den Geschäften zurückgezogen. Nana stand unter dem Eindruck dieser Behausung und erlaubte sich boshafte Bemerkungen über die Eigentümerin. Doch Satin ereiferte sich darüber und erklärte, daß sie für die Tugend der Madame Robert einstehe. Man sehe sie immer nur in Gesellschaft ernster und würdiger Männer, die ihr den Arm reichten. Gegenwärtig habe sie einen ehemaligen Schokoladefabrikanten, einen sehr streng gesitteten Mann, zum Verehrer, der, entzückt von den anständigen Manieren in ihrem Hause, sooft er komme, sich anmelden lasse und sie »Mein Kind« nenne.
Doch, da ist sie ja, fügte Satin hinzu, indem sie auf eine unter der Uhr hängende Photographie zeigte.
Nana betrachtete einen Augenblick das Bild. Es stellte eine brünette Frau mit länglichem Gesichte und zu einem halben Lächeln gespitzten Lippen vor. Man konnte sie für eine Frau aus der guten Gesellschaft halten.
Merkwürdig, murmelte Nana, ich habe diesen Kopf schon irgendwo gesehen, weiß aber nicht mehr, wo. An einem anständigen Ort wird's nicht gewesen sein, gewiß nicht ... Also, fügte sie zu Satin gewendet hinzu, sie hat dir das Versprechen abgenommen, sie zu besuchen. Was will sie denn von dir?
Was sie von mir will? Ein wenig plaudern, einen Augenblick beisammen sein, die reine Höflichkeit ...
Nana blickte Satin scharf an, dann schnalzte sie mit der Zunge. Ihr war schließlich die Sache gleichgültig. Da aber diese Dame sie warten ließ, erklärte sie, daß sie gehen wolle. Beide gingen.
Am folgenden Tage erklärte Fontan, daß er nicht zum Essen kommen werde. Nana ging daher zeitig zu Satin und bot ihr ein Essen in irgendeinem Restaurant an. Die Wahl des Restaurants war eine schwierige Frage. Satin brachte Auskochereien in Vorschlag, die Nana anwiderten. Endlich entschloß man sich für Lauras Restaurant in der Märtyrer-Straße, wo man für drei Franken an der
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