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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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solche Briefe jedem vor. Fontan kannte den Stil Georges und wußte ihn nach seinem Werte zu schätzen. Diesen Abend fürchtete sie so sehr eine Szene, daß sie Gleichgültigkeit heuchelte; sie durchflog das Schreiben mit gelangweilter Miene und warf es dann auf den Tisch. Fontan war inzwischen an das Fenster getreten und trommelte einen Marsch auf den Scheiben. Es war ihm zu früh, zu Bette zu gehen, und er wußte nicht, was er mit seinem Abend anfangen solle. Plötzlich wandte er sich um und sagte:
    Wie wär's, wenn man diesem Burschen sogleich antworten würde?
    Gewöhnlich schrieb er die Antworten an Georges; er tat sich auf seinen Stiel viel zu gute. Er fühlte sich geschmeichelt und glücklich, wenn Nana nach Beendigung des Briefes, den er laut diktierend schrieb, ihm um den Hals fiel, und sagte, kein zweiter vermöge, solche Dinge zu erfinden. Das endete dann immer mit einer glücklichen Liebesszene.
    Wie du willst, erwiderte sie auf seine Frage. Ich will inzwischen den Tee bereiten, dann gehen wir zu Bett.
    Nun setzte sich Fontan und breitete Papier, Tinte und Feder vor sich aus. Dann krümmte er den Arm und stützte das Kinn auf den Tisch.
    Mein Herzchen! begann er laut.
    Nun schrieb er, den Kopf auf die Hände gestützt, nahezu eine Stunde, sich immer laut vordiktierend und beifällig lachend, wenn er eine besonders zärtliche Redewendung gefunden zu haben glaubte. Nana sah ihm stillschweigend zu und trank indessen zwei Tassen Tee. Endlich war der Brief fertig, und Fontan las ihn laut vor, wie man auf dem Theater liest, mit lebhaften Gebärden.
    Es gab in dem Briefe »köstliche Stunden, die man in La Mignotte verlebt, Stunden, deren Erinnerung wie ein zarter Duft zurückgeblieben«; dann »Schwüre der ewigen Treue für diesen Liebesfrühling«. Am Schlusse war der heiße Wunsch ausgedrückt, »das Glück noch einmal zu beginnen, wenn dies überhaupt möglich sei«.
    Das habe ich getroffen, wie? sagte Fontan in triumphierendem Tone.
    Doch Nana benahm sich diesmal ungeschickt; sie war noch immer argwöhnisch und beging den Fehler, ihm nicht unter lauten Rufen der Bewunderung um den Hals zu fallen. Sie fand den Brief gut, weiter nichts. Das verdroß ihn. Wenn sein Brief ihr nicht gefalle, meinte er, könne sie einen anderen schreiben. Und sie küßten diesmal einander nicht, sondern saßen kühl an beiden Enden des Tisches. Sie schenkte ihm eine Tasse Tee ein.
    Ist das eine Schweinerei! rief er, den Tee kostend. Hast du denn Salz hineingetan?
    Nana zuckte die Achseln. Dadurch wurde er noch wütender.
    Das wird heute eine schlimme Wendung nehmen, sagte Fontan.
    Nun brach der Zank los. Es war erst gegen zehn Uhr; so konnte man am besten die Zeit totschlagen. Fontan schleuderte Nana alle erdenklichen Schmähungen und Beschuldigungen ins Gesicht, eine nach der anderen, ohne ihr zur Verteidigung Zeit zu lassen. Sie sei schmutzig, dumm, gemein, treibe sich überall umher. Dann warf er sich auf den Geldpunkt. Er gebe keine sechs Franken aus, wenn er auswärts speise. Er lasse sich ein Essen bezahlen, sonst begnüge er sich mit der einfachen Hausmannskost. Und noch dazu für diese alte Kupplerin Maloir, die er hinauswerfe, wenn sie sich noch einmal zeigen sollte! Da würden sie weit kommen, wenn jeder für sich alle Tage sechs Franken ausgeben wolle!
    Ich fordere vor allem Rechenschaft! rief er. Gib das Geld her; ich will sehen, wie weit wir sind.
    Sein schmutziger Geiz war in ihm erwacht. Nana beeilte sich ganz erschrocken, das Geld zu holen, das sie noch im Schranke hatten. Bisher benützten sie die Kasse gemeinschaftlich; jeder nahm, was er brauchte.
    Wie? rief er, nachdem er gezählt hatte, wir haben kaum siebentausend Franken von siebzehntausend, und leben doch erst seit drei Monaten beisammen? Das ist nicht möglich.
    Er lief zu dem Kasten und hob das Schubfach heraus, um es bei Lampenlicht zu durchsuchen. Aber es waren nur sechstausendachthundert und einige Franken da. Nun brach das Unwetter los.
    Zehntausend Franken in drei Monaten! heulte er. Herrgott, das ist zu viel! Was hast du mit dem Gelde angefangen? Sprich! Das Ganze wandert zu deiner Tante, wie? Oder kaufst du dir vielleicht Männer? Letzteres ist wahrscheinlicher ... So rede doch!
    Ach, du mußt deshalb nicht wüten! Die Rechnung ist bald gemacht, sagte Nana. Du hast die Möbel nicht gerechnet und die Wäsche, die ich anschaffen mußte. Das Geld geht rasch weg, wenn man sich neu einrichtet.
    Er forderte Erklärungen, wollte sie aber nicht

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