Nana
Jammer, wie sehr er nach ihrer Abreise gelitten. Er sei, wie ein ruheloser Geist, an allen Orten zu finden, die Madame ehemals zu besuchen pflegte. Endlich habe Mignon ihn bei sich eingeführt.
Diese Nachricht brachte Nana zum Lachen, doch war ihre Heiterkeit im Grunde eine gezwungene.
Ah, er hält es jetzt mit Rosa? Nun, Francis, ich mache mir eigentlich nichts daraus ... Der Mensch hat sonderbare Manieren angenommen ... Nicht acht Tage wollte er fasten! Ach, ah! Und dieser Mensch schwur mir, daß er nach mir nie mehr ein Weib berühren wolle.
Sie war im Grunde wütend.
Rosa hat einen sauberen Patron erwischt, sagte sie. Ich begreife übrigens: sie wollte sich für das Rindvieh Steiner rächen, das ich ihr weggekapert hatte. Eine große Heldentat, einen Mann an sich zu locken, den ich hinausgeworfen habe.
Was das betrifft, erzählt Mignon die Sache ganz anders. Nach seiner Darstellung hätte der Graf Sie davongejagt und zwar in einer scheußlichen Weise mit Fußtritten.
Nana erbleichte.
Was? schrie sie, mit Fußtritten ...? Das ist denn doch zu stark ... Ich war es, mein Lieber, die ihn die Treppe hinabwarf, diesen Hahnrei. Denn er ist ein Hahnrei! Seine Frau macht ihn dazu mit aller Welt, selbst mit diesem Lumpen Fauchery. Und dieser Mignon, der auf den Straßen umherläuft, um seinem Weibe Männer zu bringen, weil sie niemand mehr mag, so mager ist sie ... Ist das ein schmutziges Pack ... Sie erstickte fast vor Wut. Dann fuhr sie, tief Atem holend, fort:
Sagen sie das ...? Nun gut, Francis, ich will die Leute aufsuchen. Wollen wir miteinander hingehen? Ja, ich will hingehen, und wir wollen sehen, ob sie den Mut haben, von Fußtritten zu reden ... Mir, die ich niemals von jemandem einen Schlag geduldet habe und auch niemals dulden werde ... Ich würde den Mann zerreißen, der es wagen würde, Hand an mich zu legen ...
Sie besänftigte sich allmählich. Sie konnten reden, was sie wollten; in ihren Augen galten diese Leute nicht mehr als der Schmutz an ihren Schuhen. Sie würde nur sich selbst besudeln, wenn sie sich mit diesen Leuten weiter abgeben wollte. Sie hatte ihr gutes Gewissen und war dabei zufrieden. Francis wurde vertraulicher, und als er sie so in ihrem Hauskleide sich ganz als Hausfrau geben sah, erlaubte er sich, zum Abschiede ihr einige Ratschläge zu geben.
Sie haben unrecht, meinte er, einer Liebeslaune alles aufzuopfern; die Liebeslaunen verderben die Existenzen.
Sie hörte ihn gesenkten Hauptes an, während er als Kenner des Lebens sprach, den es schmerzt, ein so schönes Mädchen so verkümmern zu sehen.
Das ist mein Sache, sagte sie endlich, immerhin danke ich dir, mein Lieber.
Sie drückte ihm die Hand, die trotz ihrer Sauberkeit noch immer etwas fettig war, und ging auf den Fischmarkt. Die Geschichte von den Fußtritten ging ihr den ganzen Tag nicht aus dem Kopfe.
Sie sprach auch mit Fontan darüber und benahm sich auch da als starkes Weib, das sich von einem Manne nichts gefallen lassen würde. Fontan, als überlegener Geist, der er war, erklärte, daß alle vornehmen Männer Lümmel seien, die man verachten müsse. Von da ab war Nana von tiefster Verachtung für die vornehme Herrenwelt erfüllt.
Am Abend des nämlichen Tages gingen sie ins Varietétheater, um dem ersten Auftreten eines jungen Mädchens beizuwohnen, welches Fontan kannte. Die Rolle bestand aus zehn Zeilen. Es war nahezu ein Uhr nach Mitternacht, als sie nach Hause kamen. In der Rue der Chaussée nach Antin hatten sie einen Kuchen gekauft. Sie aßen ihn im Bett, weil es kühl war und es sich doch nicht lohnte, wegen eines so einfachen Abendbrotes im Kamin Feuer anzuzünden. So saßen sie nebeneinander im Bett, die Decke über den Bauch hinaufgezogen, den Rücken an die Kissen gelehnt und aßen, wobei sie von der neuen Schauspielerin plauderten. Nana fand sie häßlich und ohne allen Schick. Fontan, der vorne lag, sagte nichts, sondern reichte ihr ein Stück von dem Kuchen, der auf dem Nachtkästchen zwischen Leuchter und Zündhölzchen lag. Es kam aber schließlich dennoch zu einem Streite zwischen ihnen.
Wie kann man von der nur reden? bemerkte Nana. Sie hat ja Augen wie Bohrlöcher und flachsfarbene Haare.
Schweig doch! sagte Fontan. Sie hat prachtvolles Haar und Augen voll Glanz und Feuer. Es ist doch sonderbar, daß die Weiber einander auffressen wollen. Er machte dabei eine verdrossene Miene, und als sie nicht nachgab, rief er schroff:
Schlafen wir, sonst nimmt die Geschichte eine üble Wendung. Mich soll
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