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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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allgemeinen Tafel speisen konnte.
    Da sie sich langweilten und mit ihrer Zeit nichts anzufangen wußten, gingen sie zwanzig Minuten zu früh hin. Die drei Säle waren noch leer. Sie nahmen an einem Tische Platz in dem gleichen Saale, wo Laura Eisenfuß in einem hohen Zahlpult thronte. Diese Laura war eine Dame von ungefähr fünfzig Jahren mit überquellenden Formen, die sie nur mit vieler Mühe in Gürtel und Mieder einzuzwängen vermochte. Es kamen zahlreiche weibliche Gäste, die sich vor dem Zahlpult auf die Fußzehen stellten, um die Besitzerin vertraulich auf den Mund zu küssen, während dieses Ungeheuer mit zärtlich feuchten Augen allen diesen Liebesbeweisen entgegen zu kommen suchte, um keine eifersüchtig zu machen. Die Aufwärterin hingegen war eine große, magere Person mit verwitterten Zügen und schwarzumränderten, glühenden Augen. Die drei Säle füllten sich rasch. Es mochten etwa hundert weibliche Gäste da sein, die ohne Wahl nebeneinander an den Tischen Platz nahmen. Die Mehrzahl dieser Damen war nahe an die Vierzig von ungeheurer Körperfülle, entstellt vom Laster, mit schlaffen Lippen. Hie und da erschienen auch junge, schlanke Mädchen, die keusche Mienen mit schamlosen Gebärden vereinigten, junge Geschöpfe, durch Gäste der Laura in irgendeiner Schänke aufgespürt und hieher gebracht, wo diese Gesellschaft von alten, dicken Weibern ihnen förmlich den Hof machte, als ob es lauter Männer seien und ihnen manchen Leckerbissen bezahlten. Herren waren nur in geringer Zahl vorhanden, vielleicht zehn bis fünfzehn, die sich angesichts dieser beherrschenden Flut von Weiberröcken recht bescheiden betrugen, mit Ausnahme von vier jungen Leuten, die, wie es schien, gekommen waren, um sich hier einen Ulk zu machen, und sich offenbar sehr behaglich fühlten.
    Die Kost ist gut? fragte Satin.
    Nana nickte zufrieden. Man bekam hier ein reichliches Essen wie in den Provinzhotels der guten alten Zeit: Blätterteigpasteten, Huhn mit Reis, Bohnen im eigenen Saft, Vanillecreme. Die Damen schwärmten besonders für Huhn mit Reis, von dem sie nicht genug nehmen konnten und das ihnen so trefflich mundete, daß sie sich darnach mit der Hand vergnügt den Mund abwischten. Anfänglich fürchtete Nana, irgendeine ihrer alten Freundinnen hier zu treffen, die sie dann mit allerlei neugierigen Fragen quälen könnte. Doch beruhigte sie sich bald; sie sah keine Bekannte in dieser bunten Gesellschaft, wo abgeschossene Kleider und fragwürdige Hüte mit reichen, modernen Toiletten in der Verwandtschaft der nämlichen moralischen Verderbtheit sich freundschaftlich untereinander mengten. Einen Augenblick wurde Nanas Aufmerksamkeit durch einen jungen Mann mit kurzem, geringeltem Haar und schamlosem Gesicht gefesselt, der einen ganzen Tisch von dicken Dirnen unterhielt. Nana glaubte zu bemerken, daß die Brust des jungen Mannes anschwoll, so oft er lachte.
    Schau, das ist ja ein Mädchen! rief Nana erstaunt aus.
    Satin, die sich eben den Mund mit Huhn vollstopfte, blickte auf und murmelte:
    Ja, ich kenne sie ... Sehr schick! Man reißt sich um sie.
    Nana machte eine Gebärde des Ekels. Sie begriff es noch nicht. Indes sagte sie ruhig, über Geschmack und Farben lasse sich streiten, weil man nicht wissen könne, was man selbst eines Tages lieben werde. Sie aß mit philosophischer Ruhe ihren Creme und bemerkte, daß Satin mit ihren keuschen, blauen Augen unter den Insassen der benachbarten Tische einen wahren Aufruhr anstifte. Besonders eine schöne, blonde Dame in der Nähe war Feuer und Flamme geworden und auf ihrem Sitze unruhig, daß Nana eben eine Bemerkung machen wollte, als eine neu Eintretende ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Sie erkannte in dieser Dame Frau Robert. Diese nickte der Aufwärterin vertraulich zu und lehnte sich dann an Lauras Zahlpult. Die beiden küßten einander wiederholt. Nana fand diesen Zärtlichkeitsbeweis von Seite einer vornehmen Dame höchst drollig, umso mehr, als Madame Robert keineswegs bescheiden aussah, im Gegenteil. Sie blickte nach allen Seiten des Saales und plauderte leise mit der Wirtin. Laura hatte sich wieder gesetzt und thronte da mit der Majestät eines alten Götzenbildes des Lasters, dessen Antlitz grün und abgenützt ist von den Küssen der Getreuen; zwischen ihren mit Leckereien gefüllten Tellern, herrschte sie über ihre Kundschaft dicker Weiber als eine der dicksten inmitten dieses Wohlstandes einer Gasthausbesitzerin, der der Lohn einer vierzigjährigen Arbeit

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