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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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irgendein verspäteter Beamter, und rief ihr zu: »Guten Morgen, Schätzchen!« Sie richtete sich mit einem Ruck auf und sagte mit der Würde einer beleidigten Königin:
    Was fällt denn diesem Schwein ein?
    Dann glaubte sie, ihn zu erkennen. Als sie vor drei Tagen um Mitternacht allein den Boulevard hinaufging, hatte sie an der Ecke der Labruyére-Straße fast eine halbe Stunde ihm zugeredet, daß er sie begleite. Das empörte sie noch mehr.
    Ist das nicht tölpelhaft, den Leuten am hellen Tage solche Dinge zuzuschreien! fuhr sie fort. Wenn man seinen Angelegenheiten nachgeht, will man doch respektiert sein, nicht wahr?
    Nana kaufte ein Paar Waldtauben, dann gingen sie miteinander fort. Satin, die ganz in der Nähe in der Rochefoucauld-Straße wohnte, wollte Nana ihr Haus zeigen. Sobald sie allein waren, erzählte Nana ihr Liebesverhältnis mit Fontan. Die andere hörte sehr aufmerksam zu, wie Nana erzählte, die nun ihrerseits log, indem sie sagte, sie habe den Grafen Muffat mit Fußtritten davongejagt.
    Oh, das ist gut! sagte Satin. Fußtritte, das ist sehr schick! Er hat gewiß nichts gesagt. Das ist so feige. Ich wäre gern dabei gewesen, um die Fratze zu sehen, die er machte. Du hast recht, meine Liebe, das Geld ist nichts. Wenn ich in einen Mann vernarrt bin, krepiere ich für ihn. Du besuchst mich, wie? Die Tür links. Klopfe dreimal, denn es gibt eine Menge Schweinekerle, die mich belästigen, und ich will nicht jeden einlassen.
    Wenn Nana sich langweilte, suchte sie Satin auf. Sie war stets sicher, sie zu finden, da Satin niemals vor sechs Uhr ausging. Sie bewohnte zwei Zimmer, die ein Apotheker ihr möbliert hatte, um sie vor den Verfolgungen der Polizei zu schützen. Aber bevor ein Jahr um war, hatte sie die ganze Einrichtung zertrümmert, die Sessel durchlöchert, die Vorhänge beschmutzt. Sie war von einer wahren Unsauberkeits-und Unordnungskrankheit besessen, und die Wohnung sah aus, als ob eine Rotte wütender Katzen darin hauste. Wenn sie manchmal, von Ekel vor sich selbst ergriffen, ein wenig aufräumen wollte, behielt sie alles, was sie anfaßte, in der Hand; bald eine Sessellehne, bald ein Stück von einem Vorhang. Es kam so weit, daß man in die Wohnung kaum eintreten konnte, weil ein ganzer Haufen Gerümpel vor der Tür lag. Sie ließ also alles stehen und liegen; ohnehin drohte der Hauseigentümer, sie hinauszuwerfen. Für wen sollte sie die Möbel instandhalten, für ihn etwa? Fällt ihr nicht ein! ... Wenn sie übelgelaunt das Bett verließ, versetzte sie dem Bett und den Schreinen wütende Fußstöße, um ihnen den Rest zu geben.
    Nana fand sie fast immer im Bette. Wenn Satin ausgegangen war, um ihren Mundvorrat einzukaufen, war sie immer so matt, bis sie wieder hinaufkam, daß sie sich aufs Bett warf und wieder einschlief. Tagsüber schleppte sie sich müde umher, schlief bald auf diesem, bald auf jenem Sessel, und erwachte erst gegen sechs Uhr, wenn die Gaslichter angezündet wurden. Nana befand sich sehr wohl bei ihr inmitten dieses zerwühlten Bettes, der Waschbecken, die umherstanden, der Röcke, an denen noch der Straßenschmutz vom gestrigen Abend klebte. Da saß sie müßig und plauderte mit Satin, die im Hemde sich im Bette herumwälzte, die Beine in die Luft streckte und Zigaretten rauchte. Zuweilen ließ sie sich Absynth holen, um ihren Kummer zu vertreiben, wie sie sagten. Satin neigte sich im Hemd über das Treppengeländer und schrie die Bestellung der Tochter der Hausmeisterin hinunter, einem Mädchen von zehn Jahren das den Absynth im Glase holte und dann die nackten Beine der Dame anstarrte. All ihre Gespräche gingen darauf hinaus, daß die Männer Schweinekerle seien. Nana war eigentlich furchtbar lästig mit ihren ewigen Fontan; sie konnte keine zehn Worte vorbringen, ohne darauf zurückzukommen, was er sprach, und was er tat. Aber Satin war sehr gutmütig und hörte geduldig ihre Geschichten an; wie sie ihren Fontan am Fenster erwarte, wie sie wegen eines angebrannten Ragouts stritten, wie sie dann stundenlang schmollten und sich endlich im Bett wieder aussöhnten. Das kam so weit, daß Nana ihr von allen Schlägen erzählte, die sie erhielt. Die vorige Woche erhielt sie solche Prügel, daß sie ein angeschwollenes Auge hatte. Gestern wieder, als er einen Pantoffel nicht fand, versetzte er ihr einen Stoß, daß sie auf den Nachtkasten fiel. Die andere war hierüber gar nicht erstaunt; sie blies den Rauch ihrer Zigarette in die Luft und meinte, daß sie sich in solchen

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