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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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niemand reizen ...
    Er blies die Kerze aus. Nana war wütend und zankte weiter. Sie dulde nicht, daß man in diesem Tone mit ihr rede; sie sei gewöhnt, geachtet zu werden. Da er ihr keine Antwort gab, mußte endlich auch sie schweigen. Doch vermochte sie nicht einzuschlafen; sie warf sich hin und her.
    Herrgott! rief er endlich, indem er wütend emporsprang. Wirst du ruhig liegen?
    Ich bin nicht schuld daran, daß Brotstückchen im Bette sind, bemerkte sie.
    Es waren in der Tat Brotkrümchen im Bett. Sie spürte sie überall, selbst unter den Schenkeln und wurde furchtbar davon gequält. Ein einziges Brotkrümchen im Bett genügte, um ihr den Schlaf zu rauben, sie kratzte sich blutig. Da man im Bette Kuchen gegessen, hätte man die Decke abschütteln sollen. Fontan war wütend und zündete die Kerze wieder an. Nun stiegen beide, mit nackten Beinen und im Hemde, aus dem Bett, nahmen die Decke herab und fegten mit den Händen die Krummen fort. Fontan fröstelte, denn es war kalt im Zimmer; darum beeilte er sich, wieder ins Bett zu kommen, und als sie ihn bat, er möge sich doch die Fußsohlen abwischen, hieß er sie zum Teufel gehen. Endlich legte auch sie sich nieder. Kaum lag sie im Bett, als der Tanz wieder losging. Es waren noch immer Brosamen da.
    Du hast sie auf den Fußsohlen wieder ins Bett gebracht, sagte sie. Ich kann es nicht aushalten ...
    Sie erhob sich, um über ihn hinweg aus dem Bett zu steigen. Da verlor Fontan, der schlafen wollte, endlich die Geduld und versetzte ihr eine tüchtige Ohrfeige. Der Schlag war so stark, daß Nana im Moment betäubt auf den Kissen lag.
    Oh, stöhnte sie mit einem tiefen Seufzer.
    Er drohte ihr mit einer zweiten Ohrfeige, wenn sie es wage, sich noch einmal zu rühren. Dann wandte er ihr den Rücken, und in der nächsten Minute schnarchte er. Sie verbarg den Kopf in den Kissen und schluchzte still. Das ist eine Feigheit, seine Kraft so zu mißbrauchen. Allein sie fürchtete sich jetzt vor dem schrecklichen Ausdruck, den die drollige Fratze Fontans angenommen hatte. Aber allmählich verlor sich auch ihr Zorn, als ob die Ohrfeige sie beruhigt habe. Sie war von Achtung für ihn erfüllt und drückte sich an die Wand, damit er das ganze Bett für sich habe. Mit glühender Wange und mit tränenfeuchten Augen schlief sie endlich ein, niedergedrückt von grenzenloser Ergebenheit. Sie spürte keine Brosamen mehr. Als sie am Morgen erwachte, hielt sie Fontan in ihren Armen fest an ihre Brust gedrückt. Er werde das nie wieder tun, wie? Sie liebe ihn ja so sehr. Von ihm geohrfeigt zu werden, sei auch eine Wonne!
    Jetzt begann ein neues Leben. Für ein Ja oder Nein hatte Nana ihre Ohrfeige. Sie gewöhnte sich bald daran und steckte es ruhig ein. Zuweilen schrie und drohte sie; dann preßte er sie an die Wand und sagte, er werde sie erdrosseln. Das machte sie nachgiebig.
    Oft sank sie auf einen Sessel hin und schluchzte fünf Minuten, dann vergaß sie alles wieder und flatterte singend und lachend durch die Zimmer. Das Schlimmste war, daß Fontan jetzt ganze Tage lang ausblieb und erst um Mitternacht heimkehrte. Er trieb sich in den Kaffeehäusern herum, wo er Kameraden antraf. Nana duldete alles zitternd und liebkoste ihn, denn sie fürchtete, er werde nicht wiederkommen, wenn sie ihm Vorwürfe mache. An gewissen Tagen jedoch, wenn weder die Maloir, noch die Lerat kam, langweilte sie sich zum Sterben. Sie war deshalb auch entzückt, als sie eines Tages auf dem Markte Satin begegnete, die ein Büschel Radieschen kaufte. Seit dem Abende, da der Prinz von dem Champagner Fontans getrunken, hatten sie einander aus den Augen verloren.
    Wie, du bist's? Wohnst du in diesem Stadtviertel? rief Satin verblüfft, als sie Nana zu dieser Stunde auf offener Straße in Pantoffeln herankommen sah. Bist du denn in Not, mein armes Kind?
    Nana blinzelte ihr zu, damit sie schweige, denn es kamen noch andere Frauen hinzu in schmutzigen Hauskleidern mit wirr herabhängenden Haaren. Sobald am Morgen der Mann fort war, den sie die Nacht über beherbergten, kamen alle diese Mädchen herbei, um ihre Einkäufe für den Tag zu machen. Es waren erschöpfte, schläfrige, übelgelaunte Gestalten, die einen jung und hübsch, die andern alt und scheußlich, in Lumpen gehüllt. Auf dem Fußsteige standen die Männer, um sie zu betrachten; doch sie kümmerten sich nicht darum, außerhalb der »Geschäftszeit« verachteten sie alle Männer. Eben als Satin ihren Bund Radieschen bezahlte, kam ein junger Mann vorüber,

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