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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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es Schaukel- und Tonnenspiel gebe, sagte sie für eine spätere Zeit zu.
    Nana war um diese Zeit fortwährend bedrängt; sie brauchte Geld. Wenn die Tricon sie nicht rief, was nur zu oft geschah, wußte sie mit ihrem Körper nichts anzufangen. Dann begannen die hartnäckigen, langen Spaziergänge in Gesellschaft Satins durch alle schmutzigen Gäßchen unter dem trüben Gaslichte. Nana suchte die vorstädtischen Schenken wieder auf, wo sie ihre lasterhafte Laufbahn begonnen hatte; sie sah die dunklen Winkel der äußeren Boulevards wieder, die Ecksteine, auf denen sie schon mit fünfzehn Jahren von Männern umarmt worden zur Zeit, da ihr Vater sie mit Fußtritten nach Hause expedierte. Sie erschien mit Satin in allen Kaffeehäusern, auf allen Tanzunterhaltungen der entlegenen Stadtviertel; oder sie gingen langsam Straße auf, Straße ab, und stellten sich zuweilen vor den Haustoren auf die Lauer. Satin, die im Lateinviertel angefangen hatte, führte Nana dorthin, zu Bullier und in allerlei Wirtshäuser des Boulevards Saint-Michel. Doch es kamen die Schulferien, und das Stadtviertel leerte sich rasch. Sie kehrten dann wieder auf die großen Boulevards zurück; da hatten sie noch immer die besten Aussichten. So durchstreiften sie die ganze Stadt von den Höhen des Montmartre bis in die Niederungen des Observatoriums, an Abenden, wo es regnete und sie bis zu den Knöcheln im Moraste wateten, und an Abenden, da es so heiß war, daß die Kleider ihnen am Leibe klebten; da gab es endlose Promenaden; sie wurden geschoben und gestoßen, hatten Zank und Streit, führten zuweilen einen Vorübergehenden in ein unsauberes Zimmer, das sie dann unzufrieden, fluchend verließen.
    Der Sommer ging zu Ende, ein Sommer, reich an Gewittern und schwülen Nächten. Nach dem Essen, gegen neun Uhr, traten sie gewöhnlich ihren Marsch an. Auf den Fußsteigen der Liebfrauenstraße zogen endlose Reihen von Mädchen dahin, die alle sehr geschäftig mit aufgeschürzten Röcken den Boulevards zueilten. Es war die hungrige Schar des Bredaviertels, die mit der Abenddämmerung auf Beute auszog. Nana und Satin gingen immer die Kirche entlang durch die Le Peletier-Straße. Hundert Schritte vom Café Reich ließen sie, sobald sie sich dem Schauplatz ihrer Manöver näherten, die Schleppe ihrer Kleider fallen, die sie bisher in der Hand getragen, und nun ging der Marsch durch Staub und Dreck; vor den Kaffeehäusern wurde der Schritt noch verlangsamt. Da befanden sie sich in ihrem Elemente. Sie trugen die Köpfe hoch, plauderten mit lautem Gelächter und blickten von Zeit zu Zeit auf die Herren zurück, die ihnen folgten. Die Heiterkeit hielt bis elf Uhr an und wurde nur hie und da durch ein »Schmutziges Vieh« unterbrochen, das sie einem Unglücklichen an den Kopf warfen, der so ungeschickt war, sie zu stoßen oder ihnen auf die Fersen zu treten. Zuweilen ließen sie sich an dem Tische eines Kaffeehauses nieder, tauschten mit den Kellnern vertrauliche Grüße aus und nahmen von dem ersten besten eine Erfrischung an, was ihnen dann Gelegenheit bot, sich niederzulassen und den Schluß der Theater abzuwarten. Doch wenn die Nachtzeit vorrückte und sie nicht einen oder zwei Abstecher nach der La Rouchefoucald-Straße gemacht hatten, wurde die Jagd erbittert. Im Dunkel der Bäume der leeren Boulevards spielten sich häßliche Szenen ab; man feilschte mit den Männern, derbe Worte und harte Püffe fielen, während ehrbare Familien, Vater, Mutter und Töchter, an derlei Begegnungen gewöhnt, ruhig vorbeizogen. Wenn sie dann zehnmal den Weg von der Oper bis zum Schultheater gemacht hatten und die Männer immer seltener wurden, stellten Nana und Satin sich auf den Boulevard der Vorstadt Montmartre-Straße auf. Hier waren bis zwei Uhr nachts Restaurants, Schenken und Speisehäuser offen und beleuchtet; vor den Kaffeehäusern drängten sich die Frauenzimmer. Es war dies der letzte beleuchtete und lebendige Winkel des nächtlichen Paris, der letzte offene Markt für den Handel auf eine Nacht, wo das Geschäft unter den Gruppen laut und ungeniert abgemacht wurde. So ging es von einem Ende der Straße bis zum andern wie in dem offenen Flur eines öffentlichen Hauses. Und an Abenden, wo sie leer heimkehrten, zankten sie miteinander. Die Liebfrauenstraße streckte sich lang und öde dahin; nur hie und da sah man den Schatten eines Frauenzimmers dahingleiten. Es war die späte Heimkehr des Viertels; arme Mädchen, verzweifelt über eine Nacht ohne Erwerb, zankten mit

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