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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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rauher Stimme mit irgendeinem verspäteten Trunkenbolde, den sie an einer Straßenecke anhielten.
    Doch kamen auch ergiebigere Abende. Nicht selten erhaschten sie Louisdors von feineren Herren, die ihre Ordensabzeichen in die Tasche steckend, mit ihnen gingen. Satin hatte für diese Gattung eine feine Spürnase. An regnerischen Abenden, wenn Paris feucht und fad war, suchten diese Herren, wie sie wußte, die dunklen Winkel der Stadt auf. Und sie spürte den am besten gekleideten nach; sie erkannte das an ihren matten Blicken. Eine wahre Wut nach fleischlichem Genuß schien an solchen Abenden über die Stadt zu kommen. Wohl fürchtete sie diese Klasse ein wenig, denn die nobelsten Herren waren die ekelhaftesten. Der Lack war bald abgestreift, und es kam das wilde Tier zum Vorschein mit abscheulichen Gelüsten und einer Verfeinerung des Lasters. Satin hatte auch gar keine Achtung vor den Herren, die im Wagen daherkamen; sie sagte, ihre Kutscher seien anständiger, weil sie die Weiber nicht mit Gedanken von der andern Welt umbringen. Die Verworfenheit der vornehmen Herren überraschte Nana, die noch gewisse Vorurteile hatte, von denen Satin sie befreite. Es gibt also keine Tugend mehr, pflegte sie in ernsteren Augenblicken zu sagen; von oben bis hinunter wälzt sich alles im Kote. Es müsse sauber zugehen in Paris von neun Uhr abends bis drei Uhr morgens; es sei ein erbaulicher Anblick, wenn man alle Häuser abdecken könne. Die kleinen Leute wälzten sich in den Lüsten bis über die Ohren, und gar viele Große steckten mit der Nase im Schmutz, noch tiefer als die andern. Dies vervollständigte Nanas Erziehung.
    Als sie eines Abends kam, um Satin abzuholen, erkannte sie den Marquis Chouard, der mit kreidebleichem Gesicht und schlotternden Beinen die Treppe herabstieg, wobei er sich an dem Geländer festhielt. Sie hielt das Taschentuch vor die Nase, um nicht erkannt zu werden. Oben fand sie Satin in einer unbeschreiblichen Unordnung und fürchterlichem Schmutz; das Zimmer war seit acht Tagen nicht aufgeräumt worden; das Bett war schmutzig und in Unordnung; der Boden war bedeckt mit Weiberröcken, Töpfen und allerlei Gerümpel. Nana äußerte sich verwundert darüber, das Satin den Marquis kenne. Ach ja; sie kannte ihn; er war ihr oft genug lästig gewesen, zur Zeit, da sie noch das Verhältnis mit dem Pastetenbäcker hatte. Jetzt komme er von Zeit zu Zeit, doch sei er unerträglich; er beschnüffle alle schmutzigen Winkel, selbst ihre Pantoffel nicht ausgenommen.
    Jawohl, meine Liebe, selbst meine Pantoffel ... Oh, das ist ein alter Schweinekerl. Der verlangt Dinge von mir ...
    Was Nana hauptsächlich beunruhigte, war die Aufrichtigkeit, mit welcher Satin diese niederen Ausschweifungen eingestand. Sie erinnerte sich ihres lustigen Lebens zu jener Zeit, da sie eine vornehme galante Dame war, während sie die Dirnen rings um sich her täglich dabei zugrunde gehen sah. Auch flößte ihr Satin eine heillose Furcht vor der Polizei ein. Sie war unerschöpflich in Geschichten über diesen Gegenstand. Früher hatte sie ein Verhältnis mit einem Agenten der Sittenpolizei, um von dieser Seite Ruhe zu haben; zweimal hatte er sie davor gerettet, ergriffen zu werden. Jetzt lebte sie in fortwährender Angst; denn wenn sie noch einmal erwischt würde, wäre sie verloren. Um eine Belohnung zu erhalten, fangen die Agenten so viel Frauen wie möglich zusammen; wenn die Ärmsten schreien, bekommen sie Ohrfeigen; die Agenten wissen, daß die Polizei sie unterstützt und belohnt, selbst wenn sie unter der Menge von ungefähr eine rechtschaffene Frau abfassen. Zur Sommerszeit besetzen ihrer zwölf bis fünfzehn die Boulevards und fangen an einem Abend bis dreißig Mädchen zusammen. Allein Satin kannte schon die Plätze genau; sobald sie nur die Nasenspitze eines Agenten erblickte, verschwand sie unter der Menge. Es herrschte eine solche Angst vor dem Gesetz, ein solcher Schrecken vor der Polizeipräfektur, daß manche dieser Mädchen wie gelähmt vor den Türen der Kaffeehäuser stehen blieben. Noch mehr fürchtete Satin die Anzeigen. Ihr Pastetenhändler war gemein genug, ihr, als sie ihn verließ, zu drohen, daß er sie angeben werde. Jawohl, es gibt Männer, die mit dieser Drohung ihre Mädchen zwingen, sie auszuhalten. Dann Weiber, die aus Neid gleich bereit sind, jede, die ein hübscheres Gesicht hat, anzuzeigen. Nana vernahm diese Dinge mit wachsendem Entsetzen. Sie hatte immer vor dem Gesetz gezittert, vor dieser unbekannten Macht,

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