Nana
in Erstaunen. Ein nichtsnutziger Mann würde sich schwerlich in dieser Weise aufgeopfert haben, ohne es an die große Glocke zu hängen. Ein Umstand fiel ihr auf: Labordette gab ihr dieselben Ratschläge wie Francis ... Als Fontan am Abend nach Hause kam, befragte sie ihn wegen des neuen Stückes. Er war seit zwei Monaten wieder Mitglied des Varietétheaters; warum hat er ihr von dieser Rolle nichts gesagt?
Welche Rolle? schrie er sie an. Doch nicht die Rolle der großen Dame, die darin vorkommt? ... Glaubst du denn gar, daß du Talent hast? Die Rolle würde dich ja zu Boden drücken ... Du bist komisch.
Sie war furchtbar verletzt. Den ganzen Abend verhöhnte er sie, indem er sie Madamoiselle Mars nannte. Je mehr er auf ihr herumtrat, desto ergebener war sie; es war ihr eine Wollust, das Leid ihrer Selbstlosigkeit durchzukosten, die sie in ihren eigenen Augen sehr groß und sehr verliebt erscheinen ließ. Seitdem sie sich mit anderen Männern abgab, um ihn zu erhalten, liebte sie ihn noch mehr. Er wurde ihr Laster, das sie sich bezahlte, ihr Bedürfnis, das sie nicht missen konnte, trotz aller Ohrfeigen. Fontan trieb schließlich Mißbrauch mit ihrer Gutmütigkeit.
Sie machte ihn nervös; er hatte einen wilden Haß gegen sie gefaßt, so sehr, daß er nicht mehr seine Interessen wahrnehmen wollte. Wenn Bosc ihm Vorstellungen machte, begann er zu schreien und zu wüten, ohne daß man wußte, weshalb: er kümmere sich nicht um sie, noch um ihre guten Essen; er werde sie hinauswerfen, um seine siebentausend Franken einer anderen zu geben.
Und so endete in der Tat ihr Verhältnis.
Als eines Abends Nana gegen elf Uhr nach Hause kam, fand sie die Türe ihrer Wohnung verriegelt. Sie klopfte an: keine Antwort. Sie klopfte noch einmal an: keine Antwort. Und doch sah sie unter der Türe einen Lichtstreif und hörte Fontan im Zimmer umhergehen. Sie klopfte nun länger an und verlangte wütend Einlaß. Endlich hörte sie Fontans Stimme.
Schmarrn! sagte er.
Sie pochte nun mit beiden Fäusten:
Schmarrn!
Sie pochte noch stärker, daß die Tür fast aus den Fugen ging.
Schmarrn!
Und eine Viertelstunde hindurch erhielt sie auf ihr Pochen nur diese schändliche Antwort. Dann aber, als er sah, daß sie nicht müde werde zu pochen, öffnete er plötzlich die Türe, erschien mit gekreuzten Armen auf der Schwelle und rief mit brutaler Stimme:
Werden Sie endlich aufhören? ... Was wollen Sie denn? ... Gehen Sie und lassen Sie uns schlafen! Sie sehen doch, daß ich Gesellschaft habe.
Er war in der Tat nicht allein. Nana sah die kleine Schauspielerin vom Possen-Theater mit dem Flachshaar und den Bohrlöcheraugen. Sie war bereits im Hemde und machte sich inmitten der Einrichtung breit, die Nana bezahlt hatte. Doch Fontan tat einen Schritt auf den Korridor hinaus, spreizte seine langen, knochigen Finger auseinander und sagte:
Mach, daß du fortkommst oder ich erwürge dich!
Da brach Nana in ein nervöses Schluchzen aus. Sie fürchtete sich und entfloh. Diesmal war sie es, die hinausgeworfen wurde. In ihrer Wut erinnerte sie sich plötzlich an Muffat; aber sicher sollte nicht Fontan ihr vergelten, was sie dem Grafen getan.
Auf der Straße war ihr erster Gedanke, bei Satin zu übernachten, wenn diese niemanden bei sich habe. Sie traf Satin vor dem Hause, in dem sie gewohnt hatte; der Hausherr hatte auch sie auf die Straße geworfen und gegen alles Recht ein Quereisen an ihre Türe legen lassen, da sie doch ihre eigene Einrichtung hatte. Sie fluchte und schrie, sie werde ihn zur Polizei rufen lassen. Indes mußte sie, da es zwölf Uhr schlug, an ein Nachtlager denken. Und Satin, die es schließlich besser fand, die Schutzleute in ihre häuslichen Angelegenheiten nicht einzuweihen, führte Nana nach der Laval-Straße, zu einer Dame, die ein kleines möbliertes Haus hielt. Man öffnete ihnen im zweiten Stockwerk ein schmales Zimmerchen, dessen Fenster auf den Hof ging.
Satin bemerkte wiederholt:
Ich wäre wohl zu Madame Robert gegangen, wo es für mich immer Platz gibt ... Doch mit dir kann ich nicht ... Sie wird lächerlich eifersüchtig ... Neulich hat sie mich geprügelt.
Als sie sich eingeschlossen hatten, brach Nana von neuem in Tränen aus und erzählte zum zwanzigsten Male die Niedertracht Fontans. Satin hörte sie teilnahmsvoll an, tröstete sie, war noch mehr entrüstet als sie selbst und schimpfte auf die Männer.
Oh, diese Schweine, diese Schweine! Siehst du, ich mag diese Schweine nicht mehr ...
Sie war Nana beim
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