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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dieser Rache der Männer, die sie vernichten konnte, ohne daß jemand in der Welt sie zu schützen vermochte. Saint-Lazare schwebte ihr vor wie eine Grube, wie ein finsteres Loch, in das die Frauen lebendig hineingeworfen werden, nachdem man ihnen die Haare abgeschnitten.
    Sie sagte sich wohl, daß sie nur von Fontan zu lassen brauche, um Beschützer zu finden; vergebens sagte ihr Satin, daß die Agenten der Sittenpolizei eine Liste von Frauen und deren Photographien mit sich führen, und daß sie diese Frauen nicht berühren dürfen. Sie zitterte dennoch vor der Polizei; sie sah sich fortwährend bei den Haaren fortgeschleppt, am folgenden Tage zum Verhör gebracht und untersucht. Besonders die Untersuchung flößte ihr eine furchtbare Angst ein, ihr, die hundertmal ihr Hemd in die Luft geschleudert hatte.
    An einem Septemberabend, als sie mit Satin auf dem Fischer-Boulevard umherspazierte, begann Satin plötzlich zu laufen, indem sie ihr zurief:
    Die Polizeiagenten, fort, fort ...
    Eine tolle Flucht entstand in der Menge; die Röcke flogen, manche wurden zerrissen. Da gab es Stöße und Geschrei. Ein Weib fiel zu Boden. Die Menge schaute mit rohem Gelächter zu, wie die Polizeiagenten den Ring enger schlossen. Inzwischen hatte Nana Satin aus den Augen verloren. Sie bebte am ganzen Körper und lief Gefahr, verhaftet zu werden. Da näherte sich ihr ein Mann, nahm sie unter den Arm und führte sie von den Augen der wütenden Polizisten weg. Es war Prulliére, der sie mitten in dieser Jagd erkannt hatte. Ohne ein Wort zu reden, bog er mit ihr in die Rougemont-Straße ein, die um jene Stunde ganz verlassen war. Sie war bleich und atemlos vor Schreck; er mußte sie stützen, damit sie sich ein wenig erholen konnte. Sie hatte nicht einmal so viel Fassung, um ihm zu danken.
    Du mußt dich erholen, sagte er. Komm zu mir hinauf.
    Er wohnte nicht weit davon in der Hirtenstraße. Sie weigerte sich entschieden.
    Ich will nicht, war ihre Antwort.
    Da wurde er keck.
    Mit aller Welt ja, mit mir nicht? sagte er. Warum denn nicht?
    Ich mag einmal nicht.
    Damit meinte sie, alles gesagt zu haben. Sie liebte Fontan zu sehr, um ihn mit einem Freunde zu betrügen. Die anderen zählen nicht, da sie kein Vergnügen dabei hatte und es nur aus Not tat. Angesichts eines solchen Eigensinns beging Prulliére eine Feigheit; er war eben verletzt in einer Eigenliebe eines hübschen Mannes.
    Wie du willst, meine Liebe. Aber ich gehe nicht mit dir. Ziehe dich aus der Patsche, wie du kannst.
    Und er verließ sie. Sie wurde wieder vom Entsetzen ergriffen und machte einen weiten Umweg, um nach Hause zu gelangen. Sie lief längs der Häuserreihen fort und erbleichte, wenn ein Mann sich näherte.
    Am folgenden Tage begegnete noch unter dem Eindrucke der Schrecknisse des gestrigen Tages Nana, die sich zu ihrer Tante begab, Labordette in einem einsamen Gäßchen zu Batignolles. Anfangs waren beide in Verlegenheit. Labordette faßte sich zuerst; er freute sich über die Begegnung. Alle Bekannten seien noch immer verblüfft über Nanas Verschwinden. Man sehne sich nach ihr; die alten Freunde würden sie gerne wiedersehen. Schließlich nahm er einen väterlichen Ton an und hielt ihr eine Moralpredigt.
    Offen gestanden, was du treibst, ist schon dumm. Man begreift eine Liebestorheit, aber dermaßen vernarrt zu sein und dafür nichts als Ohrfeigen einzustecken ... Bewirbst du dich etwa um den Tugendpreis?
    Sie hörte ihn mit verwirrter Miene an. Als er ihr aber von Rosa erzählte, die mit der Eroberung Muffats triumphierte, blitzte es plötzlich in ihren Augen auf.
    Ach, wenn ich wollte ... murmelte sie.
    Als guter Freund bot er ihr seine Vermittlung an; doch sie lehnte ab. Dann versuchte er, sie an einem anderen Punkte zu fassen. Er erzählte ihr, daß Bordenave ein neues Stück von Fauchery studieren lasse, wo es für sie eine prächtige Rolle gebe.
    Wie? ein Stück, in dem es eine Rolle für mich gibt? rief sie. Aber ... er ist ja in dem Stück beschäftigt und hat mir nichts davon gesagt.
    Sie vermied es, Fontans Namen auszusprechen. Auch beruhigte sie sich bald. Sie werde nie wieder zum Theater gehen, meinte sie.
    Labordette schien nicht überzeugt zu sein, denn er lächelte und drang weiter in sie.
    Du weißt, daß du bei mir nichts zu befürchten hast. Ich werde Muffat vorbereiten, du kehrst zum Theater zurück, und der Graf kommt dir auf allen vieren gekrochen.
    Nein! sagte sie energisch.
    Damit verließ sie ihn. Ihre Selbstlosigkeit setzte sie selbst

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