Nana
betrachtete ruhig ihre Haut, ohne jede Versuchung, die Lage zu mißbrauchen, wie dieser Schwachkopf Prulliére getan haben würde, und sagte dann leise:
Meine Tochter, wo es Weiber gibt, da gibt es Schläge, so hat, glaube ich, Napoleon gesagt ... Wasche dich mit Salzwasser. Das Salzwasser ist für diese Dingerchen von ausgezeichneter Wirkung. Du wirst noch mehr bekommen; beklage dich nicht, so lange du deine Knochen heil beisammen hast. Ich sehe, es gibt einen Braten, da lade ich mich ein.
Madame Lerat war weniger philosophisch. Sie stieß ein lautes Geschrei aus, wenn sie die blauen Flecke auf dem Rücken ihrer Nichte sah. Man werde sie noch töten; das dürfe nicht länger so fortdauern. Die Wahrheit war, daß Fontan die Lerat hinausgeworfen und ihr verboten hatte, sich in seinem Hause sehen zu lassen. Wenn er kam, mußte sie durch die Küche flüchten, und das demütigte sie furchtbar. Sie wurde darum auch nicht müde, über diesen abscheulichen Menschen zu schimpfen. Sie warf ihm hauptsächlich vor, daß er keine Erziehung genossen und mit anständigen Frauen nicht umgehen könne.
Oh, das sieht man gleich, sagte sie zu Nana, er hat nicht das geringste Schicklichkeitsgefühl. Seine Mutter muß ein gemeines Weib sein. Widersprich mir nicht. Ich spreche nicht meinethalben so, obgleich eine Person meines Alters Anspruch auf Achtung hat. Aber, wie fängst du es an, seine widerwärtigen Manieren zu ertragen? Ohne mir zu schmeicheln, ich habe dir stets die besten Lehren erteilt, denn wir waren anständige Leute, unsere ganze Familie, Gott sei Dank.
Nana erwiderte nicht und senkte schweigend den Kopf.
Früher, so fuhr die Tante fort, hattest du nur mit vornehmen Personen Bekanntschaft ... Ich habe erst gestern wieder mit Zoé darüber gesprochen. Auch sie begreift dich nicht. Wie? sagte sie, Madame, der der Herr Graf, ein so vornehmer Mann, auf einen Wink der Augen oder Finger gehorchte – Madame läßt sich von einem Possenreißer hinmorden? Ich erwiderte ihr, die Schläge seien noch erträglich, den Mangel an Schicklichkeitsgefühl aber könne ich nimmer ertragen ... Es ist nichts an ihm; ein häßlicher Kerl, dessen Porträt ich sicher nicht als Zierde in meinem Zimmer haben möchte. Und für einen solchen Vogel ruinierst du dich! ... Jawohl, du ruinierst dich. Du leidest Not, während reiche vornehme Herren, Mitglieder der Regierung, darnach streben, dich glücklich zu machen. Schlimm genug, daß ich dir alles dies erst sagen muß. Aber bei der ersten Schweinerei müßtest du ihn im Stiche lassen und ihm in dem stolzen Tone, der dir eigen ist und ihm sicherlich imponieren würde, zurufen: Mein Herr, für wen halten Sie mich?
Ach, Tante, ich liebe ihn.
Die Wahrheit war die, daß Madame Lerat seit einiger Zeit mit Besorgnis sah, wie ihre Nichte ihr nur mit vieler Mühe von Zeit zu Zeit ein Zwanzigsousstück geben konnte, um die Pension für den kleinen Louis zu bezahlen. Sie war ohne Zweifel bereit, sich zu opfern, das Kind bei sich zu behalten und bessere Zeiten abzuwarten, aber der Gedanke, daß Fontan sie hinderte, sie, den Knaben und dessen Mutter, im Golde zu schwimmen, dieser Gedanke brachte sie dermaßen in Wut, daß sie die Macht der Liebe leugnete. Sie schloß daher mit folgenden Worten:
Hör mich an. Es wird der Tag kommen, an dem Fontan dir die Haut über die Ohren zieht; dann wirst du weinend an meine Tür pochen, und ich werde dich einlassen.
Nana befand sich in immer ärgeren Geldverlegenheiten. Fontan hatte die siebentausend Franken verschwinden lassen. Das Geld befand sich gewiß an einem sicheren Orte und sie wagte nicht, ihn darüber zu befragen; sie schämte sich vor diesem Vogel, wie die Lerat ihn nannte. Sie zitterte bei dem Gedanken, daß er glauben könne, sie harre nur wegen seiner paar Groschen bei ihm aus. Er hatte versprochen, zu den Bedürfnissen des Haushaltes beizutragen. Anfangs gab er jeden Morgen drei Franken her. Da trat er aber mit Forderungen auf. Für seine drei Franken wollte er alles haben: Butter, Fleisch, Früchte, kurz: was gut und teuer war. Wenn sie sich darüber eine Bemerkung erlaubte, daß man für drei Franken doch nicht den ganzen Markt zusammenkaufen könne, wurde er wütend, schimpfte sie ein nichtsnutziges Ding, eine Verschwenderin, ein dummes Vieh, das sich von den Händlern bestehlen lasse; überdies drohte er jeden Augenblick, sich anderwärts zu beköstigen. Nach Verlauf eines Monats vergaß er manchen Tag, die drei Franken auf den Tisch zu legen. Sie
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