Nana
ahnungslos geraten war, brach er in Schluchzen aus und drückte das Gesicht in die Bettücher, um den Ausbruch seines Schmerzes zu ersticken.
Nana begriff: Rosa Mignon hatte ihm den Brief zugesandt. Sie ließ ihn einen Augenblick weinen; er wurde von so heftigen Krämpfen geschüttelt, daß das ganze Bett unter seinen Bewegungen zitterte. Dann sagte sie im Tone mitleidsvoller Rührung:
Du hast zu Hause Verdruß gehabt?
Er nickte stumm.
Nach einer weiteren Pause fuhr sie in leisem Tone fort:
Du weißt also alles?
Er nickte wieder bejahend. Dann trat in diesem Schmerzenszimmer neues Stillschweigen ein. Als er am Abend vorher von einer Abendgesellschaft bei der Kaiserin nach Hause kam, fand er den Brief vor, den seine Gemahlin an ihren Liebhaber geschrieben. Nach einer furchtbaren Nacht, die er Rachepläne schmiedend verbrachte, war er am Morgen fortgegangen, um der Versuchung, sein Weib zu töten, zu entrinnen. Auf der Straße hatte er an dem schönen Julitag alles andere vergessen und war zu Nana geeilt wie stets in kummervollen Stunden. Hier erst überließ er sich seinem Jammer mit der feigen Genugtuung, Trost zu finden.
Beruhige dich, sagte Nana in gütigem Tone. Ich weiß es seit langer Zeit; aber ich hätte dir sicherlich nicht die Augen geöffnet. Du erinnerst dich; im vorigen Jahre hattest du Zweifel; doch dank meiner Vorsicht wurde alles geschlichtet. Schließlich fehlte es dir ja auch an Beweisen ... Wenn du heute welche hast, so ist das schlimm; ich begreife es. Doch mußt du die Sache vernünftig auffassen; du bist deshalb noch nicht entehrt.
Er weinte nicht mehr. Obgleich er in letzter Zeit über die intimsten Einzelheiten seines ehelichen Lebens sprach, empfand er jetzt dennoch tiefe Scham. Sie mußte ihn aufmuntern, damit er noch weiter über die Sache rede. Sie sei ja eine Frau, meinte sie, und dürfe alles hören. Darauf sagte er mit matter Stimme:
Du bist krank. Wozu soll ich dich ermüden? Es ist dumm von mir, daß ich überhaupt gekommen bin. Ich gehe auch schon.
Nein, erwiderte sie lebhaft. Bleib. Ich werde dir vielleicht einen Rat geben. Nur laß mich nicht zu viel reden; der Arzt hat es mir verboten.
Er hatte sich erhoben und ging im Zimmer auf und ab.
Was wirst du tun? fragte sie.
Ich werde diesen Menschen ohrfeigen.
Sie machte eine mißbilligende Miene.
Das ist nichts ... Und deine Frau?
Ich strenge die Scheidung an, da ich Beweise habe.
Auch das heißt nichts ... Es ist sogar dumm; ich werde es niemals zugeben.
Sie setzte ihm mit schwacher Stimme die Nutzlosigkeit des Skandals eines Duells und eines Scheidungsprozesses auseinander.
Acht Tage lang würden sich die Zeitungen mit ihm beschäftigen. Er würde seine ganze Existenz, seine Ruhe, seinen Namen, seine Stellung bei Hofe aufs Spiel setzen. Und all das wofür? Um die Lacher gegen sich zu haben.
Was liegt daran? schrie er; wenn ich nur gerächt bin ...
Mein Lieber, sagte sie, wenn man in diesen Dingen nicht sofort Rache nimmt, so tut man es überhaupt niemals ...
Er hielt mit stockender Stimme an sich. Er war sicherlich nicht feige, aber er fühlte, daß sie recht habe. Ein gewisses Mißbehagen stieg immer stärker in ihm auf; ein Gefühl der Ohnmacht und der Scham drückte ihn in seiner Zornesaufwallung nieder.
Überdies führte sie mit entschiedenem Freimute noch einen weiteren Streich gegen ihn.
Willst du wissen, was dich am meisten ärgert, mein Lieber? Nichts anderes, als daß auch du deine Frau betrügst. Mein Gott, du bringst ja die Nächte nicht außer dem Hause zu, um Perlen zu suchen.. Deine Frau wird das wohl vermuten ... Welchen Vorwurf kannst du ihr also machen? Sie wird dir antworten, daß du mit gutem Beispiele vorangegangen bist, und dazu mußt du schweigen. Das ist der Grund, warum du hier auf und ab läufst, anstatt ihnen die Hälse umzudrehen.
Unter der Wucht dieser rücksichtslosen Worte war Muffat wie gebrochen in einen Sessel gesunken.
Sie hielt inne, um Atem zu schöpfen und fuhr dann halblaut fort:
Ich bin erschöpft ... Hilf mir, mich aufsetzen. Ich gleite immer herunter. Mein Kopf liegt zu tief.
Er half ihr, sich aufsetzen, worauf sie erleichtert aufseufzte. Sie kam wieder auf den erbaulichen Spektakel eines Scheidungsprozesses zu sprechen. Der Advokat der Gräfin würde ganz Paris mit Geschichten über Nana unterhalten. Alles müßte drankommen: ihre Theaterlaufbahn, ihr Haus, ihre Lebensweise. Oh, sie danke für so viel Anpreisung! Andere gemeine Weiber würden sich vielleicht nichts
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