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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Behausung zu sein und überließ es Madame Hugon, Befehle zu erteilen. Es waren endlich Diener herbeigekommen; die alte Dame wollte durchaus Georges, ohnmächtig wie er war, in ihren Wagen hinunterschaffen. Sie wollte ihn nur aus diesem Hause entfernen, und wenn er den Tod davontrage. Nana folgte mit stieren Augen den Dienstleuten, die den armen Zizi an Beinen und Schultern haltend davontrugen. Die Mutter ging hinter ihnen; jetzt schien sie völlig erschöpft, sie stützte sich auf die Möbel, gleichsam aus allem, was ihr teuer war, in die Vernichtung hinabgeschleudert. Auf dem Treppenabsatz entrang sich ein schweres Schluchzen ihrer Brust, sie wandte sich zweimal um und rief Nana die Worte zu:
    Ach, Sie haben uns sehr wehe getan, Sie haben uns viel Leid zugefügt.
    Das war alles. Nana in ihrer Bestürzung hatte sich niedergesetzt. Sie trug noch immer Hut und Handschuhe. Draußen entfernte sich der Wagen der alten Frau, das Haus verfiel wieder in tiefe Stille. Sie saß unbeweglich, ohne einen Gedanken; der Kopf brannte ihr unter der Wirkung dieses Vorfalles. Eine Viertelstunde später fand der Graf Muffat sie auf dem gleichen Platze. Jetzt erleichterte sie sich durch einen Wortschwall, indem sie ihm das Unglück erzählte, zwanzigmal auf die gleichen Einzelheiten zurückkommend und mit der blutbefleckten Schere zeigend, wie Zizi es versucht hatte, sich umzubringen.
    Sie kam immer wieder darauf zurück, daß sie unschuldig sei.
    Ist's meine Schuld, mein Lieber? Wenn du der Richter wärest, würdest du mich verurteilen ...? Ich habe Philipp nicht gesagt, daß er fremdes Gut antasten soll, und habe noch weniger den Kleinen dazu getrieben, sich zu erstechen.
    Ich bin die Unglücklichste von allen, man macht solche Dummheiten bei mir, man verursacht mir Kummer, man behandelt mich wie eine Schurkin ...
    Sie begann zu weinen. Die Spannung der Nerven schien nachgelassen und tiefe Rührung sie ergriffen zu haben.
    Auch du scheinst mit mir unzufrieden zu sein, schluchzte sie. Frage einmal Zoé, ob ich schuldig bin. Zoé, sprich, erkläre dem Herrn Grafen ...
    Zoé, damit beschäftigt, von dem Teppich die Blutflecke aufzuwaschen, hielt inne und sagte:
    Oh, mein Herr, Madame ist trostlos genug ...
    Muffat war erstarrt von diesem Drama. Er dachte nur an diese unglückliche Mutter, die ihre Söhne beweinte. Er kannte ihr zärtliches, liebevolles Herz und sah sie, von Trauer und Schmerz gebeugt, auf ihrem Witwensitz zu Fondettes langsam verlöschen. Doch Nana schien noch verzweifelter. Das Bild Zizis, wie er am Boden lag, mit einem roten Fleck auf dem Hemde, brachte sie außer sich.
    Er war so zart, so sanft, so lieblich ... Wenn es dich auch kränkt, muß ich dir doch sagen, daß ich ihn liebte, den Kleinen ... Was liegt auch daran? Jetzt ist er tot ... Du wirst uns nicht mehr miteinander überraschen ...
    Diese Worte riefen eine solche Reue in ihr hervor, daß er schließlich sie tröstete. Sie solle stark sein, sagte er; sie habe recht, es sei nicht ihre Schuld, was geschehen.
    Sie unterbrach ihn und rief:
    Du mußt dich nach seinem Befinden erkundigen ... Rasch, eile ... Ich will es.
    Er nahm seinen Hut und eilte fort, um über Georges Befinden Erkundigungen einzuholen. Als er nach dreiviertel Stunden zurückkam, sah er Nana angsterfüllt zum Fenster hinausgelehnt. Er rief ihr von der Straße zu, Georges sei nicht tot, und man hoffe, ihn am Leben zu erhalten. Das versetzte sie in lebhafte Freude; sie sang und tanzte und fand das Leben wieder schön.
    Zoé war indessen nicht zufrieden mit dem Ergebnis der Reinigung des Teppichs. So oft sie vorüberkam, betrachtete sie den roten Fleck und sagte:
    Madame, es ist nicht herausgegangen.
    In der Tat war der Fleck wieder zum Vorschein gekommen; auf einer weißen Rose des Teppichs saß ein blaßroter Fleck. Es war gerade vor der Schwelle, wie eine Blutlache, die den Eintritt versperrt.
    Bah! machte Nana; unter den Fußtritten wird es schon vergehen.
    Am folgenden Tage hatte auch der Graf schon das Ereignis vergessen. Auf dem Wege zur Madame Hugon hatte er in seinem Wagen eine Regung, in der er schwur, nicht mehr zu diesem Weibe zurückzukehren. Der Himmel hatte ihm ein Wahrzeichen gesendet: er betrachtete das Unglück von Philipp und Georges wie einen Vorboten seines eigenen Unterganges. Aber weder der Anblick der in Tränen zerfließenden unglücklichen Mutter noch der Anblick dieses im Wahnsinn des Wundfiebers sich windenden Knaben hatten die Macht, ihn seinen Schwur halten zu lassen.

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