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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Villiers-Allee wurde eine Hölle, ein Tollhaus, dessen Zusammenbruch zu abscheulichen Auftritten führte. Nana kam so weit, daß sie sich mit ihrer Dienerschaft prügelte. Eine Zeitlang war sie sehr herablassend gegen ihren Kutscher Charles. Wenn sie vor einem Restaurant halten ließ, sandte sie ihm durch einen Kellner Bier hinaus. Nicht selten führte sie aus dem Innern ihres Landauers längere Gespräche mit ihm. Ein andermal wieder behandelte sie ihn als Trottel, zankte mit ihm wegen des Strohes und Hafers herum; obgleich sie die Pferde liebte, fand sie dennoch, daß die ihrigen zu viel fraßen. Als sie eines Tages eben wieder rechnete und den Kutscher beschuldigte, daß er sie bestehle, geriet Charles in Zorn und nannte sie eine »Dirne«. Seine Pferde taugten mehr als sie, meinte er, denn sie pflegten nicht mit aller Welt Umgang. Sie antwortete dem Kutscher im nämlichen Tone; der Graf mußte sich ins Mittel legen und den Kutscher hinauswerfen. Das war der Anfang einer allgemeinen Fahnenflucht unter den Dienstleuten. Franz und Victorine gingen, nachdem ein Juwelendiebstahl im Hause entdeckt worden war. Auch der Haushofmeister Julien verschwand, und es ging das Gerücht, daß der Graf ihm bedeutende Abfertigungen gegeben, damit er gehe, weil Madame mit dem Haushofmeister schlief. Alle acht Tage sah man neue Gesichter in der Küche; der Abschaum der Gesindebüros wanderte durch das Haus. Zoé nur harrte aus und hielt Ordnung in der allgemeinen Unordnung, so gut es ging. Sie trug sich seit langer Zeit mit dem Plane, irgendein Geschäft anzufangen, und wollte aus dem Schiffbruche so viel wie möglich für sich retten.
    Das Ding war noch nicht das schlimmste. Der Graf ließ sich die Maloir gefallen trotz ihres ranzigen Geruches, weil sie mit Nana Bezigue spielte. Er ließ sich die Lerat mit ihren drolligen Manieren gefallen und Ludwig dazu, diesen greinenden, skrofulösen Balg, die Hinterlassenschaft irgendeines unbekannten Vaters. Doch es kam noch ärger. Eines Abends hörte er, hinter einer Türe stehend, wie sie der Kammerfrau erzählte, ein angeblicher reicher Herr habe sie »geblitzt«. Ja, ein »fescher« Mensch, der vorgab, daß er ein Amerikaner sei und Goldminen besitze. So ein Schweinekerl! ... Während sie schlief, war er durchgegangen und hatte sogar ein Päckchen Zigarettenpapier mitgenommen. Der Graf erbleichte und ging auf den Fußspitzen schnell die Treppe wieder hinunter, um nichts weiter zu hören. Ein andermal mußte er alles erfahren. Nana hatte sich in einen Baritonisten aus einem Kaffeekonzert verliebt, und als der Sänger sie im Stiche ließ, dachte sie in einem Anfall düsteren Trübsinns an einen Selbstmord. Sie trank ein Glas Wasser, in dem sie eine Handvoll Zündhölzchenköpfe aufgelöst hatte, wodurch sie in einen furchtbaren Zustand versetzt wurde, ohne jedoch zu sterben. Der Graf mußte sie pflegen und die Geschichte ihrer Leidenschaft über sich ergehen lassen, wobei sie heiße Tränen vergoß und schwur, sich nie mehr um einen Mann zu kümmern. Indes war trotz ihrer Verachtung für diese Schweine, wie sie sich ausdrückte, doch niemals das Herz frei, immer hatte sie irgendeinen Herzliebsten; fortwährend hing sie unbegreiflichen Liebschaften, verderbten Launen ihres erschlafften Körpers nach. Seitdem Zoé aus Berechnung ihren Eifer erkalten ließ, war in der Verteilung der Stelldichein an die Herren eine greuliche Unordnung eingerissen; dermaßen, daß Muffat es kaum mehr wagte, eine Tür zu öffnen, einen Vorhang wegzuschieben, einen Schrank aufzuschließen. Überall fand man Herren. Einer stieß auf den anderen. Der Graf fand es jetzt nötig zu husten, ehe er eintrat; denn einmal hätte er fast Nana am Halse ihres Friseurs Francis überrascht bei einer Gelegenheit, da er sich nur zwei Minuten aus dem Toilettezimmer entfernte, um anspannen zu lassen. Sie las das Vergnügen in allen Winkeln zusammen, in aller Hast mit dem erstbesten, im Hemd oder in großer Toilette. Sie war glücklich, wenn sie den Grafen in dieser Hinsicht bestehlen konnte ... Mit ihm war's ihr fürchterlich ...
    In seiner ewigen Eifersucht war der Unglückliche dahin gelangt, daß er beruhigt war, wenn er Nana nur mit Satin allein wußte. Er hätte sie zu diesem Laster angeeifert, um nur die Männer von ihr fernzuhalten. Doch auch von dieser Seite war alles verdorben. Nana betrog Satin, wie sie den Grafen betrog, indem sie, zu scheußlichen Geschmacksverirrungen herabsinkend, die erstbeste Vettel von der

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