Nana
kolossale Anpreisung, durch Anzeigen, Plakate, Ankündigungen ... Aus den entferntesten Winkeln der Erde zog er Geld. Und alle diese Ersparnisse: die Louisdors der Spekulanten wie die Sous der armen Leute verschwanden in dem Haus der Villiers-Allee. Gleichzeitig hatte er sich mit einem elsässischen Eisenwerksbesitzer verbunden. Da unten nutzten in einem verlorenen Winkel dieser Provinz kohlengeschwärzte, schweißtriefende Arbeiter Tag und Nacht in aufreibender Arbeit Mark und Bein ab, um die Mittel für die Vergnügungen Nanas zu beschaffen. Sie verzehrte alles wie ein Feuerbrand: den Diebstahl durch die Börse wie den Erwerb der ehrlichen Arbeit. Diesmal machte sie Steiner völlig fertig. Als sie ihn auf das Pflaster setzte, war er so leer und ausgesogen, daß ihm nicht einmal eine Schurkerei mehr einfiel. Sein Bankhaus ging in Trümmer, er zitterte vor der Polizei. Er war in Konkurs geraten, und schon das Wort »Geld« brachte ihn in kindische Verwirrung, ihn, der in Millionen gewühlt hatte. Eines Abends kam er weinend und borgte hundert Franken von ihr, um seine Magd zu bezahlen. Und Nana, gerührt und erheitert zugleich durch dieses Ende des schrecklichen Mannes, der den Pariser Platz seit zwanzig Jahren beherrschte, brachte ihm die hundert Franken und sagte:
Ich gebe sie dir, weil ich es drollig finde ... Aber du wirst begreifen: du bist nicht mehr in dem Alter, um dich von mir aushalten zu lassen ... Du mußt dir eine andere Beschäftigung suchen ...
Dann nahm Nana sofort La Faloise in die Arbeit. Um vollkommen »schick« zu sein, geizte dieser Herr schon längst nach der Ehre, von ihr ruiniert zu werden. Das eine fehlte ihm noch, daß eine Modedame ihn in die Hände nehme. In zwei Monaten werde ganz Paris ihn kennen, und er werde seinen Namen in allen Zeitungen lesen. Sechs Wochen genügten. Seine Erbschaft bestand in Landgütern: Ackerfeld, Wiesen, Wälder, Pachthöfe. Er mußte rasch eines nach dem andern verkaufen. Ein Morgen Ackerboden war für Nana nur ein Mundvoll. Die grünen Wälder, die gelben Getreideäcker, die goldblinkenden Weinberge, die fetten Weiden, in deren hohem Grase die Kühe sich verloren, all dies verschwand wie in einen Abgrund. Um das Ganze hinabzuspülen, wurden noch drei Wassermühlen nachgesandt. Nana raste vorbei wie ein feindlicher Einfall, wie ein furchtbares Ungewitter, das ganze Provinzen verheert. Wo sie ihren kleinen Fuß hinsetzte, wurde der Boden weggebrannt. Einen Pachthof nach dem andern, eine Wiese nach der andern zermalmte sie mit ihren weißen Zähnen unbefangen, ohne daß man es ihr anmerkte, wie sie ein Säckchen Krachmandeln verzehrte. Es sind Bonbons, weiter nichts ... Eines Abends besaß La Faloise nichts mehr als einen kleinen Wald. Den schluckte sie mit verächtlicher Miene hinunter; es lohnte nicht die Mühe, dafür den Mund aufzutun. La Faloise lachte blöd dazu, wobei er an dem Knopf seines Stockes sog. Er seufzte unter einer riesigen Schuldenlast, besaß keine hundert Franken Rente mehr und sah sich genötigt, in die Provinz zurückzukehren, um bei irgendeinem alten, närrischen Onkel zu leben. Doch das hatte nichts zu bedeuten: er war »schick«, sein Name war zweimal im »Figaro« zu lesen. Mit seinem mageren Halse zwischen den herabgeschlagenen Spitzen des Hemdkragens und eingezwängt in ein kurzes Röckchen stand er vor ihr, sich in den Hüften wiegend, nach Art der Papageien unartikulierte Laute ausstoßend und die Trägheit eines Hampelmännchens zur Schau tragend, das niemals eine Erregung gehabt. Er widerte Nana an, und sie schlug ihn schließlich.
Indessen war, im Gefolge seines Vetters, auch Fauchery wieder zurückgekehrt. Dieser unmögliche Fauchery hatte seither einen Hausstand gegründet. Nachdem er mit der Gräfin gebrochen, befand er sich völlig in der Gewalt Rosas, die ihn wie einen wirklichen Gatten behandelte. Mignon war nur mehr der Haushofmeister seiner Gattin. Als Herr im Hause brachte der Journalist der Sängerin allerlei Lügen vor und gebrauchte jede mögliche Vorsicht, wenn er sie betrog, voll Bedenken eines guten Ehemannes, der sich endlich einzurichten wünscht. Nana erblickte einen Triumph darin, den Journalisten wieder zu kapern und eine Zeitung zu verschlingen, die er mit dem Gelde eines Freundes gegründet hatte. Sie machte ihr Verhältnis zu ihm nicht offenkundig, gefiel sich vielmehr darin, ihn als einen Herrn zu behandeln, der sich verbergen muß. Wenn sie von Rosa sprach, sagte sie: Diese arme Rosa. Die Zeitung
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